Unter der Behandlung eines russischen „Arztes“. 235
Kniekehle entfernen zu können. Walz kam einige Stunden später
und versuchte mit irgend einer metallischen Klinge die schwarze
Pflastermasse aus der handgroßen Wunde durch Schaben zu ent-
fernen. Der Schmerz war unerträglich und der Erfolg unvoll-
kommen, die corrosive Wirkung des Giftes dauerte fort. Ich wurde
mir über die Unwissenheit und Gewissenlosigkeit meines Arztes klar
trotz der hohen Empfehlung, die mich bestimmt hatte, ihn zu wählen.
Er selbst versicherte mit entschuldigendem Lächeln, die Salbe sei
wohl etwas zu stark gepfeffert worden; es sei ein Versehn des
Apothekers. Ich ließ von dem Letztern das Recept erbitten und
erhielt die Antwort, Walz habe es wieder an sich genommen;
Letztrer besaß es nach seiner Aussage nicht mehr. Ich konnte also
nicht ermitteln, wer der Giftmischer gewesen war, und erfuhr nur
von dem Apotheker, der Hauptbestandtheil der Salbe sei der Stoff
gewesen, der zur Herstellung von sogenannten immerwährenden
spanischen Fliegen verwendet werde, und nach seiner Erinnerung
sei derselbe allerdings in einer ungewöhnlich starken Dosis ver-
schrieben gewesen. Es ist mir später die Frage gestellt worden,
ob meine Vergiftung eine absichtliche gewesen sein könne; ich
schreibe sie lediglich der Unwissenheit und Dreistigkeit des ärztlichen
Schwindlers zu.
Er war auf Grund einer Empfehlung der verwitweten Groß-
herzogin Sophie von Baden Dirigent sämmtlicher Kinderhospitäler
in Petersburg geworden. Meine spätern Ermittelungen ergaben,
daß er der Sohn des Universitätsconditors in Heidelberg war, als
Student nicht gearbeitet und keine Prüfung bestanden hatte. Seine
Salbe hatte eine Vene zerstört, und ich habe viele Jahre lang schwer
daran gelitten.
Um bei deutschen Aerzten Hülfe zu suchen, reiste ich im Juli
auf dem Seewege über Stettin nach Berlin; heftige Schmerzen
veranlaßten mich, den berühmten Chirurgen Pirogow, der mit
an Bord war, zu fragen; er wollte mir das Bein amputiren, und
auf meine Frage, ob über oder unter dem Kniee, bezeichnete er