Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

244 Elftes Kapitel: Zwischenzustand. 
glauben, daß eine lange und schwere Mißregirung das Volk gegen 
seine Obrigkeit so erbittert hätte, daß bei jedem Luftzug die Flamme 
aufschlägt. Politische Unreife hat viel Antheil an diesem Stolpern 
über Zwirnsfäden; aber seit vierzehn Jahren haben wir der Nation 
Geschmack an Politik beigebracht, ihr aber den Appetit nicht be- 
friedigt, und sie sucht die Nahrung in den Gossen. Wir sind fast 
so eitel wie die Franzosen; können wir uns einreden, daß wir aus- 
wärts Ansehn haben, so lassen wir uns im Hause viel gefallen;. 
haben wir das Gefühl, daß jeder kleine Würzburger uns hänselt 
und geringschätzt und daß wir es dulden aus Angst, weil wir hoffen, 
daß die Reichsarmee uns vor Frankreich schützen wird, so sehn 
wir innre Schäden an allen Ecken, und jeder Preßbengel, der den 
Mund gegen die Regirung aufreißt, hat Recht. Von den Fürsten- 
häusern von Neapel bis Hanover wird uns keins unsre Liebe 
danken, und wir üben an ihnen recht evangelische Feindesliebe, auf 
Kosten der Sicherheit des eignen Thrones. Ich bin meinem Fürsten 
treu bis in die Vendée, aber gegen alle andern fühle ich in keinem 
Blutstropfen eine Spur von Verbindlichkeit, den Finger für sie- 
aufzuheben. In dieser Denkungsweise fürchte ich von der unsres 
allergnädigsten Herrn so weit entfernt zu sein, daß er mich schwerlich 
zum Rathe seiner Krone geeignet finden wird. Deshalb wird er 
mich, wenn überhaupt, lieber im Innern verwenden. Das bleibt 
sich aber m. E. ganz gleich, denn ich verspreche mir von der 
Gesammtregirung keine gedeihlichen Resultate, wenn unsre aus- 
wärtige Haltung nicht kräftiger und unabhängiger von dynastischen 
Sympathien wird, an denen wir aus Mangel an Selbstvertrauen. 
eine Anlehnung suchen, die sie nicht gewähren können und die wir 
nicht brauchen. Wegen der Wahlen ist es Schade, daß der Bruch. 
sich grade so gestaltet; die gut königliche Masse der Wähler wird. 
den Streit über die Huldigung nicht verstehn, und die Demokratie 
ihn entstellen. Es wäre besser gewesen, in der Militärfrage stramm 
zu halten gegen Kühne, mit der Kammer zu brechen, sie aufzulösen 
und damit der Nation zu zeigen, wie der König zu den Leuten
	        
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