Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

Verlauf der Ministerkrisis. 247 
Huldigungsfrage mit meinen Gespielen für immer auch äußerlich 
entzweit, wissen Sie wohl durch Manteuffel oder Alvensleben. 
Wenn ich dennoch in „dieser Gesellschaft" bleibe, so geschieht es, 
weil der K. darauf besteht und ich, unter den jetzigen Umständen 
von jeder Rücksicht entbunden, nunmehr mit offenem Visir fort- 
kämpfen kann. Es sagt meiner Natur mehr zu, daß die Herren 
wissen, ich bin gegen ihre Recepte, als daß sie es, wie bisher, 
blos glauben. Gott möge weiter helfen! ich kann wenig mehr 
thun, als ein ehrlicher Mann bleiben und in meinen Ressorts 
thätig sein und Vernünftiges wirken. — Das größte Unglück in 
aller dieser misère ist indeß die Mattigkeit und Abgespanntheit 
unsres Königs. Er ist mehr wie je in der Botmäßigkeit der K. 
und ihrer Gehülfen. Wird er nicht körperlich wieder frischer, so 
ist Alles verloren, und wir schwanken weiter in das Joch des Par- 
lamentarismus und der Republik und der Präsidentschaft Patow. 
Ich sehe keine, keine Rettung, wenn uns Gott der Herr nicht 
hilft. In dem Proceß der allgemeinen Zersetzung vermag ich nur 
noch einen widerstandsfähigen Organismus zu erkennen, die Armee. 
Sie unverfault zu erhalten: das ist die Aufgabe, die ich noch für 
lösbar erachte, aber freilich nur noch auf einige Zeit. Auch sie wird 
verpestet werden, wenn sie nicht zu Thaten kömmt, wenn ihr nicht 
von Oben gesunde Lebensluft zugeführt wird, und das, auch das 
wird alle Tage schwieriger. Habe ich darin Recht, und ich glaube 
es, so kann man auch nicht tadeln, daß ich in dieser Gesellschaft 
weiter diene. Ich will damit nicht sagen, daß ein Andrer mein 
Amt nicht mit gleicher oder größerer Einsicht und Energie zu ver- 
walten vermöchte, aber auch der Fähigste wird ein Jahr zu seiner 
Orientirung brauchen und — „die Todten reiten schnellt. Wie 
gern ich mich zurückzöge, brauche ich Niemand zu versichern, der 
mich genauer kennt. In meiner Natur liegt viel mehr Neigung 
zur Behaglichkeit, als vor Gott Recht ist, und diese würde ich mit 
meiner verdienten reichlichen Pension finden, da ich weder per- 
wöhnt bin noch ehrbedürftig. Wie sehr ich zur Faulheit neige,
	        
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