Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

Briefwechsel mit Roon über den Eintritt ins Ministerium. 255 
mindestens bis zum Winter oder länger hier zu bleiben. Meine 
Sachen und Wagen sind noch in Petersburg, ich muß sie irgendwo 
unterbringen; außerdem habe ich die Gewohnheiten eines achtbaren 
Familienvaters, zu denen gehört, daß man irgendwo einen festen 
Wohnsitz hat, und der fehlt mir eigentlich seit Juli v. J., wo mir 
Schleinitz zuerst sagte, daß ich versetzt würde. Sie thun mir Unrecht, 
wenn Sie glauben, daß ich mich sträube; ich habe im Gegentheil 
lebhafte Anwandlungen von dem Unternehmungsgeist jenes Thieres, 
welches auf dem Eise tanzen geht, wenn ihm zu wohl wird. — 
Ich bin den Adreßdebatten einigermaßen gefolgt und habe 
den Eindruck, daß sich die Regirung in der Commission, vielleicht 
auch im Plenum, mehr hergegeben hat, als nützlich war. Was 
liegt eigentlich an einer schlechten Adresse? Die Leute glauben mit 
der angenommnen einen Sieg erfochten zu haben. In einer Adresse 
führt eine Kammer Manöver mit markirtem Feinde und Platz- 
patronen auf. Nehmen die Leute das Scheingefecht für ernsten 
Sieg und zerstreuen sich plündernd und marodirend auf Königlichem 
Rechtsboden, so kommt wohl die Zeit, daß der markirte Feind seine 
Batterien demaskirt und scharf schießt. Ich vermisse etwas Gemüth= 
lichkeit in unsrer Auffassung; Ihr Brief athmet ehrlichen Krieger- 
zorn, geschärft von des Kampfes Staub und Hitze. Sie haben, 
ohne Schmeichelei, vorzüglich geantwortet, aber es ist eigentlich 
schade drum, die Leute verstehn kein Deutsch. Unsern freund- 
lichen Nachbar hier habe ich ruhig und behäbig gefunden, sehr 
wohlwollend für uns, sehr geneigt, die Schwierigkeiten der „deutschen 
Frage“ zu besprechen; er kann seine Sympathien keiner der be- 
stehenden Dynastien versagen, aber er hofft, daß Preußen die große 
ihm gestellte Aufgabe mit Erfolg lösen werde, die deutsche näm- 
lich, dann werde die Regirung auch im Innern Vertrauen gewinnen. 
Lauter schöne Worte. Um zu erklären, daß ich mich bisher nicht 
recht wohnlich einrichte, sage ich den Fragern, daß ich in Kurzem 
für einige Monat Urlaub zu nehmen denke, um dann mit meiner 
Frau wiederzukommen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.