264 Elftes Kapitel: Zwischenzustand.
und rathe, Sie ein stweilen zum Minister-Präsidenten ohne Porte-
feuille zu ernennen, was ich bisher vermieden; es geht nicht anders!
Wollen Sie dies absolut nicht, so desavouiren Sie mich oder ge-
bieten Sie mir Schweigen. Ich spreche den Herrn am 7. in einer
ganz vertraulichen Audienz, die er mir für diesen Tag bei seiner
Durchreise nach Carlsruhe zur Taufe (am 9./9.) zugesagt hat. Sie
haben also auch noch Zeit zum Protestiren.
Von der allgemeinen Situation will ich heut nicht reden.
Die innere Katastrophe wird jetzt nicht stattfinden, wie ich ver-
muthe, sondern erst im Frühjahr, und da müssen Sie nothwendig
dabei sein. Sie wird über unsere Zukunft endgültig entscheiden..
Ihr
v. Roon.“ 1)
Ich erwiderte:
„Toulouse, 12. September 62.
Meine Kreuz= und Querzüge in den Pyrenäen haben gemacht,
daß ich Ihren Brief vom 31. [IAugustl erst heut hier vorfinde. Ich
hatte auch auf einen von Bernstorff gehofft, der mir vor vier
Wochen schrieb, daß sich im September die Frage wegen des Personal-=
wechsels jedenfalls entscheiden müsse. Ihre Zeilen lassen mich leider
vermuthen, daß die Ungewißheit um Weihnachten noch dieselbe sein
wird wie jetzt. Meine Sachen liegen noch in Petersburg und werden
dort einfrieren, meine Wagen sind in Stettin, meine Pferde bei
Berlin auf dem Lande, meine Familie in Pommern, ich selbst auf
der Landstraße. Ich gehe jetzt nach Paris zurück, obschon ich dort
weniger wie je zu thun habe, mein Urlaub ist aber um. Mein
Plan ist nun, Bernstorff vorzuschlagen, daß ich nach Berlin komme,
um das Weitre mündlich zu besprechen 2). Ich habe das Bedürfniß,
einige Tage in Reinfeld zu sein, nachdem ich die Meinigen seit
1) S. Bismarck-Jahrbuch III 237 f., jetzt auch Roon's Denkwürdigkeiten
II4 109 ff.
# Sezu#n in einem Briefe von Montpellier aus am gleichen Tage,
Bismarck-Jahrbuch VI 162 ff.