Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

Ernennung zum Staatsminister. 269 
sondern um Königliches Regiment oder Parlamentsherrschaft handle, 
und daß die letztre unbedingt und auch durch eine Periode der 
Dictatur abzuwenden sei. Ich sagte: „In dieser Lage werde ich, 
selbst wenn Eure Majestät mir Dinge befehlen sollten, die ich nicht 
für richtig hielte, Ihnen zwar diese meine Meinung offen ent— 
wickeln, aber wenn Sie auf der Ihrigen schließlich beharren, lieber 
mit dem Könige untergehn, als Eure Majestät im Kampfe mit der 
Parlamentsherrschaft im Stiche lassen.“ Diese Auffassung war 
damals durchaus lebendig und maßgebend in mir, weil ich die 
Negation und die Phrase der damaligen Opposition für politisch 
verderblich hielt im Angesicht der nationalen Aufgaben Preußens, 
und weil ich für Wilhelm J. persönlich so starke Gefühle der Hin- 
gebung und Anhänglichkeit hegte, daß mir der Gedanke, in Ge- 
meinschaft mit ihm zu Grunde zu gehn, als ein nach Umständen 
natürlicher und sympathischer Abschluß des Lebens erschien. 
Der König zerriß das Programm und war im Begriff, die 
Stücke von der Brücke in die trockne Schlucht im Park zu werfen, 
als ich daran erinnerte, daß diese Papiere mit der bekannten 
Handschrift in sehr unrechte Hände gerathen könnten. Er fand, 
daß ich Recht hätte, steckte die Stücke in die Tasche, um sie dem 
Feuer zu übergeben, und vollzog an demselben Tage meine Er- 
nennung zum Staatsminister und interimistischen Vorsitzenden des 
Staatsministeriums, die am 23. veröffentlicht wurde. Meine Er- 
nennung zum Ministerpräsidenten behielt der König vor, bis er 
mit dem Fürsten von Hohenzollern, der staatsrechtlich diese Stel- 
lung noch inne hatte, die desfallsige Correspondenz beendet haben 
werde 1). 
1) Vgl. Kaiser Wilhelm I. und Fürst Bismarck, Münchener Allg. Zeitung 
7. October 1890 M.-A. — Die definitive Ernennung zum Ministerpräsidenten 
und Minister der Auswärtigen Angelegenheiten erfolgte am 8. October.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.