Mängel und Schwächen der preußischen Politik seit Friedrich II. 271
um den Besitz polnischer Gebiete, namentlich Krakaus, eine mehr
in die Augen fallende Rolle als der in der zweiten Hälfte dieses
Jahrhunderts im Vordergrunde stehende Streit um die Hegemonie
in Deutschland.
Die Frage der Nationalität stand damals mehr im Hintergrunde;
der preußische Staat eignete sich neue polnische Unterthanen mit
gleicher, wenn nicht mit größerer Bereitwilligkeit wie deutsche an,
wenn es nur Unterthanen waren, und auch Oestreich trug kein
Bedenken, die Erfolge der gemeinsamen Kriegführung gegen Frank-
reich in Frage zu stellen, sobald es befürchten mußte, daß ihm zur
Wahrnehmung seiner polnischen Interessen die nöthigen Streitkräfte
Preußen gegenüber fehlen würden, wenn es sie an der französischen
Grenze verwenden wollte. Es ist schwer zu sagen, ob die damalige
Situation nach Maßgabe der Ansichten und Fähigkeiten der in
Oestreich und Rußland leitenden Persönlichkeiten der preußischen
Politik die Möglichkeit bot, nützlichere Wege einzuschlagen als den
des Veto gegen die Orientpolitik seiner beiden östlichen Nachbarn,
wie in der Convention von Reichenbach, 27. Juli 1790, ge-
schah. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß dieses
Veto ein Act unfruchtbaren Selbstgefühls nach Art des französi-
schen prestige war, in welchem die von Friedrich dem Großen
geerbte Autorität zwecklos verpufft wurde, ohne daß Preußen einen
andern Vortheil von dieser Kraftleistung gehabt hätte, als den
einer befriedigten Eitelkeit über Bethätigung seiner großmächtlichen
Stellung den beiden Kaisermächten gegenüber, show of power.
Wenn Oestreich und Rußland im Orient Beschäftigung fan-
den, so hätte es, möchte ich glauben, im Interesse ihres damals
weniger mächtigen Nachbarn gelegen, sie darin nicht zu stören,
sondern beide in der Richtung ihrer orientalischen Bestrebungen
eher zu fördern und zu befestigen und ihren Druck auf unfre
Grenzen dadurch abzuschwächen. Preußen war nach seinen mili-
tärischen Einrichtungen damals schneller schlagfertig als seine Nach-
barn und hätte diese Schlagfertigkeit wie bei manchen spätern