Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

Preußen antichambrirt auf dem Pariser Congreß. 277 
Selbstbewußtsein angesehn, daß wir nach allen uns widerfahrenen 
Geringschätzungen von Seiten Oestreichs und der Westmächte 
überhaupt das Bedürfniß empfanden, auf dem Congresse zugelassen 
zu werden und seinen Beschlüssen unsre Unterschrift hinzuzufügen. 
Unsre Stellung 1870 in den Londoner Besprechungen über das 
Schwarze Meer würde die Richtigkeit dieser Ansicht bezeugt haben, 
wenn Preußen sich nicht in den Pariser Congreß in würdeloser 
Weise eingedrängt hätte. Als Manteuffel aus Paris zurückkehrte 
und am 20. und 21. April in Frankfurt mein Gast war, habe ich 
mir erlaubt, ihm mein Bedauern darübcr auszusprechen, daß er 
nicht das victa Catoni zur Richtschnur genommen und uns die 
richtige unabhängige Stellung für die Eventualität der nach Lage 
der Dinge vorauszusehenden russisch-französischen gegenseitigen An- 
näherung angebahnt habe. Daß der Kaiser Napoleon damals die 
russische Freundschaft schon in Aussicht nahm, daß für maßgebende 
Kreise in England der Friedensschluß verfrüht erschien, konnte in 
dem Auswärtigen Amte in Berlin nicht zweifelhaft sein. Wie würdig 
und unabhängig wäre unfre Stellung gewesen, wenn wir uns nicht 
in den Pariser Congreß in einer demüthigenden Weise eingedrängt, 
sondern bei mangelnder rechtzeitiger Einladung unfre Betheiligung 
versagt hätten. Bei angemessener Zurückhaltung würden wir in 
der neuen Gruppirung umworben worden sein, und schon äußerlich 
wäre unfsre Stellung eine würdigere gewesen, wenn wir unsrre Ein- 
schätzung als europäische Großmacht nicht von diplomatischen 
Gegnern abhängig gemacht, sondern lediglich auf unser Selbst- 
bewußtsein basirt hätten, indem wir uns des Anspruchs auf Be- 
theiligung an europäischen Abmachungen enthielten, welche für 
Preußen kein Interesse hatten, als höchstens nach Analogie der 
Reichenbacher Convention das der Eitelkeit des Prestige und des 
itredens in Dingen, die unfre Interessen nicht berührten. 
Die versäumten Gelegenheiten, welche in die beiden Zeiträume 
von 1786 bis 1806 und von 1842 bis 1862 fallen, sind den 
Zeitgenossen nur selten verständlich geworden, noch seltener ist die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.