Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

Friedrich Wilhelm IV. Preußen und der italienische Krieg. 281 
Parlamente unterstützte, der keiner andern Rechtfertigung als der 
Verweisung auf Zustimmung der Majorität bedarf. 
Die nächste günstige Situation nach dem Krimkriege bot unsrer 
Politik der italienische Krieg. Ich glaube freilich nicht, daß König 
Wilhelm schon als Regent 1859 geneigt gewesen sein würde, in plötz- 
licher Entschließung den Abstand zu überschreiten, der seine damalige 
Politik von derjenigen trennte, welche später zur Herstellung des 
Deutschen Reichs geführt hat. Wenn man die damalige Stellung 
nach dem Maßstabe beurtheilt, den die Haltung des auswärtigen 
Ministers von Schleinitz in dem demnächstigen Abschluß des Garantie- 
vertrages von Teplitz mit Oestreich und in der Weigerung der 
Anerkennung Italiens bezeichnet, so kann man mit Recht be- 
zweifeln, ob es damals möglich gewesen sein würde, den Regenten 
zu einer Politik zu bewegen, welche die Verwendung der preußischen 
Kriegsmacht von Concessionen in der deutschen Bundespolitik ab- 
hängig gemacht hätte. Die Situation wurde nicht unter dem Ge- 
sichtspunkte einer vorwärts strebenden preußischen Politik betrachtet, 
sondern in dem gewohnheitsmäßigen Bestreben, sich den Beifall 
der deutschen Fürsten, des Kaisers von Oestreich und zugleich der 
deutschen Presse zu erwerben, in dem unklaren Bemühn um einen 
idealen Tugendpreis für Hingebung an Deutschland, ohne irgend 
eine klare Ansicht über die Gestalt des Zieles, die Richtung in der, 
und die Mittel, durch die es zu suchen wäre. 
Unter dem Einflusse seiner Gemalin und der Wochenblatts- 
partei war der Regent 1859 nahe daran, sich an dem italienischen 
Kriege zu betheiligen. Wäre das geschehn, so wurde der Krieg 
von einem östreichisch-französischen in der Hauptsache zu einem 
preußisch-französischen am Rhein. Rußland in dem damals noch 
sehr lebendigen Hasse gegen Oestreich würde mindestens gegen 
uns demonstrirt, und Oestreich, sobald wir in Krieg mit Frank- 
reich verwickelt waren, würde, am längern Ende des politischen 
Hebels stehend, erwogen haben, wie weit wir siegen durften. Was 
zu Thuguts Zeit Polen, war damals Deutschland auf dem Schach-
	        
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