Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

282 Zwölftes Kapitel: Rückblick auf die preußische Politik. 
brett. Mein Gedanke war, immerhin zu rüsten, aber zugleich 
Oestreich ein Ultimatum zu stellen, entweder unsre Bedingungen 
in der deutschen Frage anzunehmen oder unsern Angriff zu ge- 
wärtigen. Aber die Fiction einer fortdauernden und aufopfernden 
Hingebung für „Deutschland“ nur in Worten, nie in Thaten, der 
Einfluß der Prinzessin und ihres den östreichischen Interessen er- 
gebenen Ministers von Schleinitz, dazu die damals gang und gäbe 
Phraseologie der Parlamente, der Vereine und der Presse, erschwer- 
ten es dem Regenten, die Lage nach seinem eignen klaren und 
hausbacknen Verstande zu prüfen, während sich in seiner politischen 
und persönlichen Umgebung Niemand befand, der ihm die Nichtig- 
keit des ganzen Phrasenschwindels klar gemacht und ihm gegenüber 
die Sache des gesunden deutschen Interesses vertreten hätte. Der 
Regent und sein damaliger Minister glaubten an die Berechtigung 
der Redensart: II y a duelqu'un, qui a plus d’esprit que Monsieur 
de Talleyrand, c'est tount le monde. Tout le monde braucht 
aber in der That zu viel Zeit, um das Richtige zu erkennen, und 
in der Regel ist der Moment, in dem diese Erkenntniß benutzt 
werden konnte, schon vorüber, wenn tout le monde dahinter 
kommt, was eigentlich hätte gethan werden sollen. 
Erst die innern Kämpfe, die der Regent und spätre König 
durchzumachen hatte, erst die Ueberzeugung, daß seine Minister der 
neuen Aera nicht nur nicht im Stande waren, seine Unterthanen 
glücklich und zufrieden zu machen oder im Gehorsam zu erhalten, 
und die von ihm erstrebte und gehoffte Zufriedenheit in den Wahlen 
und Parlamenten zum Ausdruck zu bringen, erst die Schwierig- 
keiten, welche den König 1862 zu dem Entschlusse der Abdication 
brachten, übten auf das Gemüth und das gesunde Urtheil des 
Königs den nöthigen Einfluß, um seine monarchischen Auffassungen 
von 1859 über die Brücke der dänischen Frage zu dem Stand- 
punkte von 1866 überzuleiten, vom Reden zum Handeln, von der 
Phrase zur That. 
Die Leitung der auswärtigen Politik in den an sich schwie-
	        
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