Der Kronprinz und die Preßverordnung. 317
Culm besuchte. Am 2. Juni folgte ihm die Kronprinzessin nach
Graudenz; am Tage vorher war die Königliche Verordnung über
die Presse auf Grund eines Berichtes des Staatsministeriums er-
schienen, welcher gleichzeitig veröffentlicht wurde. Am 4. Juni
richtete Se. Kgl. Hoheit an den König ein Schreiben, in welchem
er sich mißbilligend über diese Octroyirung aussprach, sich über
die unterlassene Zuziehung seiner zu den betreffenden Berathungen
des Staatsministeriums beschwerte und über die Pflichten aussprach,
die ihm als dem Thronfolger seiner Meinung nach oblägen.
Am 5. Juni fand im Rathhause in Danzig der Empfang der
städtischen Behörden statt, bei dem Herr von Winter ein Bedauern
darüber aussprach, daß die Verhältnisse es nicht gestatteten, der
Freude der Stadt ihren vollen lauten Ausdruck zu geben. Der
Kronprinz sagte in seiner Antwort unter Anderm:
„Auch ich beklage, daß ich in einer Zeit hergekommen bin,
in welcher zwischen Regirung und Volk ein Zerwürfniß eingetreten
ist, welches zu erfahren mich in hohem Grade überrascht hat. Ich
habe von den Anordnungen, die dazu geführt haben, nichts ge-
wußt. Ich war abwesend. Ich habe keinen Theil an den Nath-
schlägen gehabt, die dazu geführt haben. Aber wir Alle und ich
am meisten, der ich die edlen und landesväterlichen Intentionen
und hochherzigen Gesinnungen Seiner Majestät des Königs am
besten kenne, wir alle haben die Zuversicht, daß Preußen unter
dem Szepter Seiner Majestät des Königs der Größe sicher ent-
gegengeht, die ihm die Vorsehung bestimmt hat.“
Exemplare der „Danziger Zeitung“ mit einem Berichte über
den Vorgang wurden an die Redactionen Berliner und andrer
Zeitungen versandt, die das genannte Blatt bei seinem wesent-
lich localen Charakter nicht zu halten pflegten. Die Worte des
Kronprinzen erhielten daher sofort eine weite Verbreitung und
erregten im In= und Auslande ein begreifliches Aufsehn. Aus
Graudenz übersandte er mir einen förmlichen Protest gegen die
Preßverordnung und verlangte Mittheilung desselben an das Staats-