Graf Rechbergs Stellung erschüttert durch die Zollverhandlung. 347
abdingen können, und weil die politische Seite der Frage im
Vordergrunde stand. Die Zolleinigung hielt ich für eine un-
ausführbare Utopie wegen der Verschiedenheit der wirthschaftlichen
und administrativen Zustände beider Theile. Die Gegenstände,
die im Norden des Zollvereins die finanzielle Unterlage bildeten,
gelangen in dem größern Theile des östreichisch-ungarischen Gebietes
garnicht zum Verbrauch. Die Schwierigkeiten, welche die Verschieden-
heiten der Lebensgewohnheiten und der Consumtion zwischen Nord-
und Süddeutschland schon innerhalb des Zollvereins bedingten, mußten
unüberwindlich werden, wenn beide Regionen mit den östlichen
Ländern Oestreich-Ungarns von derselben Zollgrenze umschlossen
werden sollten. Ein gerechter, der bestehenden Consumtion goll-
pflichtiger Waaren entsprechender Maßstab der Vertheilung würde
sich nicht vereinbaren lassen; jeder Maßstab würde entweder un-
gerecht für den Zollverein oder unannehmbar für die öffentliche
Meinung in Oestreich-Ungarn sein. Der bedürfnißlose Slowake
und Galizier einerseits, der Rheinländer und der Niedersachse
andrerseits sind für die Besteuerung nicht commensurabel. Außer-
dem fehlte mir der Glaube an die Zuverlässigkeit des Dienstes auf
einem großen Theile der östreichischen Grenzen.
Von der Unmöglichkeit der Zolleinigung überzeugt, hatte ich
kein Bedenken, dem Grafen Rechberg den gewünschten Dienst zu er-
weisen, um ihn im Amte zu erhalten. Ich glaubte bei meiner Ab-
reise nach Biarritz (5. October) sicher zu sein, daß der König an
meinem Votum festhalten werde; und mir sind noch heut die Motive
nicht klar, welche meine Collegen, den Finanzminister Karl von
Bodelschwingh und den Handelsminister Grafen Itzenplitz, und ihren
freihändlerischen spiritus rector Delbrück bestimmt haben, während
meiner Abwesenheit den König auf einem ihm ziemlich fremden
Gebiete mit so viel Entschiedenheit zu bearbeiten, daß durch unfre
Ablehnung die Stellung Rechbergs, wie er es vorhergesagt hatte,
erschüttert und er in dem auswärtigen Ministerium durch Mens-
dorff ersetzt wurde, der zunächst der Candidat Schmerlings war,