Rechbergs Entlassung. Wandelbarkeit der östreichischen Freundschaft. 349
V.
icht ohne Bedeutung für den Werth dualistischer Politik war
die Frage, auf welches Maß von Sicherheit im Innehalten dieser
Linie wir bei Oestreich rechnen konnten. Wenn man sich die
Plötzlichkeit vergegenwärtigte, mit welcher Nechberg in der Ver-
stimmung über den Mangel an Folgsamkeit der Mittelstaaten mit
diesen gebrochen und sich mit uns ohne und gegen sie verbündet
hatte, so konnte man die Möglichkeit nicht abweisen, daß ein Mangel
an Uebereinstimmung mit Preußen in Einzelfragen ebenso uner-
wartet zu einer neuen Schwenkung führen könnte. Ueber Mangel
an Aufrichtigkeit habe ich bei dem Grafen Rechberg nie zu klagen
gehabt, aber er war, wie Hamlet sagt, spleenetic and rash in
einem ungewöhnlichen Grade; und wenn die persönliche Verstim-
mung des Grafen Buol über unfreundliche Formen des Kaisers
Nicolaus mehr als über politische Differenzen hingereicht hatte, die
östreichische Politik in der Linie der bekannten Schwarzenbergi-
schen Undankbarkeit (Nous étonnerons IEurope par notre in-
gratitude) dauernd festzuhalten, so durfte man sich der Möglichkeit
nicht verschließen, daß die sehr viel schwächern Bindemittel zwischen
dem Grafen Rechberg und mir von irgend welcher Fluthwelle weg-
geschwemmt werden könnten. Der Kaiser Nicolaus hatte zu dem
Glauben an die Zuverlässigkeit seiner Beziehungen zu Oestreich
viel stärkere Unterlagen als wir zur Zeit des dänischen Krieges.
Er hatte dem Kaiser Franz Joseph einen Dienst erwiesen, wie kaum
je ein Monarch seinem Nachbarstaat gethan ½), und die Vortheile der
gegenseitigen Anlehnung im monarchischen Interesse der Revolution
gegenüber, der italienischen und ungarischen so gut wie der polnischen
von 1846, fielen für Oestreich bei dem Zusammenhalten mit Rußland
noch schwerer in das Gewicht als bei dem mit Preußen 1864 mög-
1) S. o. S. 217.