Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

350 Siebzehntes Kapitel: Der Frankfurter Fürstentag. 
lichen Bunde. Der Kaiser Franz Joseph ist eine ehrliche Natur, aber 
das östreichisch-ungarische Staatsschiff ist von so eigenthümlicher 
Zusammensetzung, daß seine Schwankungen, denen der Monarch 
seine Haltung an Bord anbequemen muß, sich kaum im Voraus 
berechnen lassen. Die centrifugalen Einflüsse der einzelnen Nationali- 
täten, das Ineinandergreifen der vitalen Interessen, die Oest- 
reich nach der deutschen, der italienischen, der orientalischen und 
der polnischen Seite hin gleichzeitig zu vertreten hat, die Unlenk- 
samkeit des ungarischen Nationalgeistes und vor Allem die Un- 
berechenbarkeit, mit der beichtväterliche Einflüsse die politischen 
Entschließungen kreuzen, legen jedem Bundesgenossen Oestreichs 
die Pflicht auf, vorsichtig zu sein und die Interessen der eignen 
Unterthanen nicht ausschließlich von der östreichischen Politik ab- 
hängig zu machen. Der Ruf der Stabilität, den die letztre unter 
dem langjährigen Regimente Metternichs gewonnen hatte, ist nach 
der Zusammensetzung der Habsburgischen Monarchie und nach 
den bewegenden Kräften innerhalb derselben nicht haltbar, mit der 
Politik des Wiener Cabinets vor der Metternichschen Periode gar- 
nicht, und nach derselben nicht durchweg in Uebereinstimmung. 
Sind aber die Rückwirkungen der wechselnden Ereignisse und Situa- 
tionen auf die Entschließungen des Wiener Cabinets für die Dauer 
unberechenbar, so ist es auch für jeden Bundesgenossen Oestreichs 
geboten, auf die Pflege von Beziehungen, aus denen sich nöthigen 
Falls andre Combinationen entwickeln ließen, nicht absolut zu ver- 
zichten.
	        
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