Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

352 Achtzehntes Kapitel: König Ludwig II. von Baiern. 
langweilte und er den von ihr unabhängigen Richtungen seiner 
Phantasie durch den Champagner zu Hülfe kam. Der Eindruck, 
den er mir machte, war ein sympathischer, obschon ich mir mit 
einiger Verdrießlichkeit sagen mußte, daß mein Bestreben, ihn als 
Tischnachbar angenehm zu unterhalten, unfruchtbar blieb. Es war dies 
das einzige Mal, daß ich den König Ludwig von Angesicht gesehn 
habe, ich bin aber mit ihm, seit er bald nachher (10. März 1864) den 
Thron bestiegen hatte, bis an sein Lebensende in günstigen Beziehungen 
und in verhältnißmäßig regem brieflichem Verkehre geblieben und 
habe dabei jederzeit von ihm den Eindruck eines geschäftlich klaren 
Regenten von national deutscher Gesinnung gehabt, wenn auch mit 
vorwiegender Sorge für die Erhaltung des föderativen Prinzips 
der Reichsverfassung und der verfassungsmäßigen Privilegien seines 
Landes. Als außerhalb des Gebietes politischer Möglichkeit liegend 
ist mir sein in den Versailler Verhandlungen auftauchender Gedanke 
erinnerlich, daß das deutsche Kaiserthum resp. Bundes-Präsidium 
zwischen dem preußischen und dem bairischen Hause erblich alterniren 
solle. Die Zweifel darüber, wie dieser unpraktische Gedanke praktisch 
zu machen, wurden überholt durch die Verhandlungen mit den 
bairischen Vertretern in Versailles und deren Ergebnisse, wonach 
dem Präsidium des Bundes, also dem Könige von Preußen, die 
Rechte, die er heut dem bairischen Bundesgenossen gegenüber 
ausübt, schon in der Hauptsache bewilligt waren, ehe es sich um 
den Kaisertitel handelte. 
Aus meinem Briefwechsel mit dem Könige Ludwig schalte ich 
einige Stücke ein, die zur richtigen Charakteristik dieses unglück- 
lichen Fürsten beitragen und auch wieder einmal ein actuelles 
Interesse gewinnen können. Die Curialien sind nur in den ersten 
Briefen gegeben.
	        
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