Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

Briefwechsel mit Ludwig von Baiern. 353 
Versailles, 27. November 1870 7. 
Allerdurchlauchtigster Großmächtigster König, 
Allergnädigster Herr, 
Für die huldreichen Eröffnungen, welche mir Graf Holnstein 
auf Befehl Eurer Majestät gemacht hat, bitte ich Allerhöchstdieselben 
den ehrfurchtsvollen Ausdruck meines Dankes entgegennehmen zu 
wollen. Das Gefühl meiner Dankbarkeit gegen Eure Majestät 
hat einen tiefern und breitern Grund als den persönlichen in der 
amtlichen Stellung, in welcher ich die hochherzigen Entschließungen 
Eurer Majestät zu würdigen berufen bin, durch welche Eure 
Majestät beim Beginne und bei Beendigung dieses Krieges der 
Einigkeit und der Macht Deutschlands den Abschluß gegeben haben. 
Aber es ist nicht meine, sondern die Aufgabe des deutschen Volkes 
und der Geschichte, dem durchlauchtigen bairischen Hause für Eurer 
Mojestät vaterländische Politik und für den Heldenmuth Ihres 
Heeres zu danken. Ich kann nur versichern, daß ich Eurer Majestät, 
so lang ich lebe, in ehrlicher Dankbarkeit anhänglich und ergeben 
sein und mich jederzeit glücklich schätzen werde, wenn es mir ver- 
gönnt wird, Eurer Majestät zu Diensten zu sein. In der deutschen 
Kaiserfrage habe ich mir erlaubt, dem Grafen Holnstein einen 
kurzen Entwurf vorzulegen, welchem der Gedankengang zu Grunde 
liegt, der meinem Gefühl nach die deutschen Stämme bewegt: der 
deutsche Kaiser ist ihrer aller Landsmann, der König von Preußen 
ein Nachbar, dem unter diesem Namen Rechte, die ihre Grundlage 
nur in der freiwilligen Uebertragung durch die deutschen Fürsten 
und Stämme finden, nicht zustehn. Ich glaube, daß der deutsche 
Titel für das Präsidium die Zulassung desselben erleichtert, und 
die Geschichte lehrt, daß die großen Fürstenhäuser Deutschlands, 
Preußen eingeschlossen, die Existenz des von ihnen gewählten 
1) Nach dem Concept, das in der Reinschrift noch Zusätze erhalten zu 
haben scheint. 
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 23
	        
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