Vriefwechsel mit Ludwig von Baiern. 357
Kissingen, den 10. August 1874.
Allerdurchlauchtigster König,
Allergnädigster Herr,
Im Begriff, meine Cur zu beendigen, kann ich Kissingen nicht
verlassen, ohne Eurer Majestät für alle Gnade, welche Allerhöchst—
dieselben mir hier erzeigt haben, nochmals ehrfurchtsvoll zu danken,
insbesondre auch für das huldreiche Schreiben vom 31. v. Mts.
Ich bin hoch beglückt durch das Vertrauen, welches Eure
Majestät mir darin aussprechen, und werde stets bestrebt sein, das-
selbe zu verdienen; aber auch unabhängig von persönlichen Bürg-
schaften, dürfen Eure Majestät mit voller Zuversicht auf diejenigen
rechnen, welche in der Reichsverfassung selbst liegen. Letztre beruht
auf der föderativen Grundlage, welche sie durch die Bundesverträge
erhalten hat, und kann nicht ohne Vertragsbruch verletzt werden.
Darin unterscheidet sich die Reichsverfassung von jeder Landes-
verfassung. Die Rechte Eurer Majestät bilden einen unlöslichen
Theil der Reichsverfassung, und beruhn daher auf denselben sichern
Rechtsgrundlagen wie alle Institutionen des Reichs. Deutschland
hat gegenwärtig in der Institution seines Bundesrathes, und Baiern
in seiner würdigen und einsichtigen Vertretung im Bundesrathe,
eine feste Bürgschaft gegen jede Ausartung oder Uebertreibung der
einheitlichen Bestrebungen. Eure Majestät werden auf die Sicher-
heit des vertragsmäßigen Verfassungsrechtes auch dann volles Ver-
trauen haben können, wenn ich nicht mehr die Ehre habe, dem Reiche
als Kanzler zu dienen.
In tiefer Ehrfurcht verharre ich
Eurer Mojestät
unterthänigster Diener
v. Bismarck.