360 Achtzehntes Kapitel: König Ludwig II. von Baiern.
Deutschland in Mitleidenschaft zu ziehn. Sehr viel schwieriger
aber liegt der Fall, wenn Oestreich und Rußland uneinig werden
sollten, und hoffe ich, daß die Begegnung beider Monarchen in
Reichstadt gute Früchte zur Befestigung ihrer Freundschaft tragen
werde. Der Kaiser Alexander will glücklicherweise den Frieden,
und erkennt an, daß Oestreichs Lage der südslavischen Bewegung
gegenüber schwieriger und zwingender ist als die Rußlands. Für
Letztres sind es auswärtige, für Oestreich aber innere und vitale
Interessen, die auf dem Spiele stehn. v. Bismartck.
Mit lebhafter Freude habe ich Ihre Nachricht von dem offen-
bar günstigen Verlaufe der Cur erhalten. Ich danke Ihnen viel-
mals für diese frohe Botschaft und hoffe von Herzen, daß auch
die lästigen Folgen des anstrengenden Gebrauchs der Kissinger
Quellen sich recht bald verlicren werden.
Durch Ihre so klare Darlegung der politischen Situation haben
Sie, mein lieber Fürst, mich ganz besonders verbunden. Der weit-
sehende, staatsmännische Blick, welcher sich in Ihren Anschauungen
über die Stellung Deutschlands zu den gegenwärtigen und etwa
noch drohenden Verwicklungen im Auslande kund gibt, hat meine
volle Bewunderung, und ich brauche wohl nicht zu versichern, daß
Ihre mächtigen Anstrengungen zur Erhaltung des Friedens von
meinen wärmsten Sympathien und unbegränztem Vertrauen be-
gleitet sind. — Möge der glückliche Erfolg der deutschen Politik
und der Dank der deutschen Fürsten und Stämme Sie, mein lieber
Fürst, im Besitze Ihrer vollen Gesundheit und Rüstigkeit finden.
Mit diesem innigen Wunsche verbinde ich die herzlichsten
Grüße und die Versicherung wahrer Hochachtung und festgewur-
zelten Vertrauens, womit ich, mein lieber Fürst, stets verbleibe
Hohenschwangau, den 16. Juli 1876.
Ihr
aufrichtiger Freund
Ludwig.