Briefwechsel mit Ludwig von Baiern. 361
Kissingen, 29. Juni 1877.
Die vielen Geschäfte bei der Cur waren unvermeidlich, weil
der Reichstag durch die Schwierigkeiten, die er bezüglich meiner
Vertretung machte, und gegen die aufzutreten ich damals nicht
gesund genug war, mich nöthigte, die Contrasignaturen auch im
Urlaub beizubehalten. Es war dies eins der Mittel, durch welche
die Mehrheit im Reichstage die Einführung jener Institution zu
erkämpfen sucht, welche sie unter der Bezeichnung „verantwortlicher
Reichsminister“ versteht, und gegen die ich mich jederzeit abwehrend
verhalte, nicht um der alleinige Minister zu bleiben, sondern um
die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesraths und seiner hohen
Vollmachtgeber zu wahren. Nur auf Kosten der letztern könnten
die erstrebten Reichsministerien geschäftlich dotirt werden, und da-
mit würde ein Weg in der Nichtung der Centralisirung ein-
geschlagen, in der wir das Heil der deutschen Zukunft, wie ich glaube,
vergebens suchen würden. Esist, meines unterthänigsten Dafürhaltens,
nicht nur das verfassungsmäßige Recht, sondern auch die politische
Aufgabe meiner außerpreußischen Collegen im Bundesrath, mich
im Kampfe gegen die Einführung solcher Reichsministerien offen
zu unterstützen, und dadurch klar zu stellen, daß ich bisher nicht
für die ministerielle Alleinherrschaft des Kanzlers, sondern für die
Rechte der Bundesgenossen und für die ministeriellen Befugnisse
des Bundesraths eingetreten bin. Ich darf annehmen, Eurer Majestät
Intentionen entsprochen zu haben, wenn ich mich in diesem Sinne
schon Pfretzschner gegenüber ausgesprochen habe, und ich bin überzeugt,
daß Eurer Majestät Vertreter im Bundesrath selbst und in Ver-
bindung mit andern Collegen mir einen Theil des Kampfes gegen
das Drängen des Reichstages nach verantwortlichen Reichomini-
sterien durch ihren Beistand abnehmen werden.
Wenn, wie ich höre, Eurer Majestät Wahl auf Herrn von
Rudhart gefallen ist, so kann ich nach Allem, was ich durch Hohen-
lohe über ihn weiß, dafür ehrfurchtsvoll dankbar sein und voraus-