362 Achtzehntes Kapitel: König Ludwig II. von Baiern.
sehn, daß ich nicht nur die innern, sondern auch die auswärtigen
Geschäfte des Reichs ihm gegenüber mit der vertrauensvollen Offen-
heit werde besprechen können, die mir dem Vertreter Eurer Majestät
gegenüber ein geschäftliches und ein persönliches Bedürfniß ist.
Für den Augenblick ist unfre Stellung zum Auslande noch dieselbe,
wie während des ganzen Winters, und die Hoffnung, daß uns der
Krieg nicht berühren werde, ungeschwächt. Das Vertrauen Ruß-
lands auf die Zuverlässigkeit unsrer nachbarlichen Politik hat er-
sichtlich zugenommen, und damit auch die Aussicht, solche Ent-
wicklungen zu verhüten, gegen welche Oestreich einzuschreiten durch
seine Interessen genöthigt werden könnte. Die guten Beziehungen
der beiden Kaiserreiche zu einander zu erhalten, bleiben wir mit
Erfolg bestrebt. Unsre Freundschaft mit England hat bisher dar-
unter nicht gelitten, und auch die am dortigen Hof durch politische
Intriganten angebrachten Gerüchte, als könne Deutschland Absichten
auf die Erwerbung von Holland haben, konnten nur in hohen
Damenkreisen vorübergehend Anklang finden; die Verleumder werden
nicht müde, aber die Gläubigen scheinen es endlich zu werden.
Unter diesen Umständen ist die äußere Politik des Reiches im Stande,
ihre Aufmerksamkeit ungeschwächt dem Vulkan im Westen zuzu-
wenden, der Deutschland seit 300 Jahren so oft mit seinen Aus-
brüchen überschüttet hat. Ich traue den Versicherungen nicht, die
wir von dort erhalten, kann aber doch dem Reiche keinen andern
Rath geben, als wohlgerüstet und Gewehr bei Fuß den etwaigen
neuen Anfall abzuwarten v. Bismarck.
E.l drängt mich bei diesem Anlasse, Ihnen, mein lieber
Fürst, zu sagen, mit welcher lebhaften Besorgniß mich vor einiger
Zeit die Nachricht von der Möglichkeit Ihres Rücktrittes erfüllte.
Je größer meine persönliche Verehrung für Sie und mein Ver-
trauen zu der föderativen Grundlage Ihres staatsmännischen Wirkens
ist, desto schmerzlicher hätte ich ein solches Ereigniß für mich und
mein Land empfunden.