364 Achtzehntes Kapitel: König Ludwig II. von Baiern.
gewahrt, die Gefahr eines Bruches zwischen Oestreich und Rußland
ist beseitigt und unfre Beziehungen zu beiden befreundeten Nach-
barreichen sind erhalten und befestigt. Namentlich freue ich mich,
daß es gelungen ist, das noch junge Vertrauen Oestreichs zu
unsrer Politik im Cabinet wie in der Bevölkerung des Kaiser-
staates wesentlich zu kräftigen. Ich darf von der Allerhöchsten Billi-
gung Eurer Majestät überzeugt sein, wenn ich auch ferner bemüht
bin, die auswärtige Politik des Reiches in der vorbezeichneten
Richtung zu erhalten, und dementsprechend bei der Pforte und ander-
weit gegenwärtig dahin zu wirken, daß die schwierige Aufgabe, die
Oestreich, allerdings etwas spät, übernommen hat, durch diplo-
matischen Beistand nach Möglichkeit erleichtert werde.
Schwieriger sind die augenblicklichen Aufgaben der innern
Politik. Meine Verhandlungen mit dem Nuntius ruhn seit dem
Tode des Cardinals Franchi vollständig, in Erwartung von In-
structionen aus Rom. Diejenigen, welche der Erzbischof von Neo-
cäsarea mitbrachte, verlangten Herstellung des status quo ante
1870 in Preußen, factisch, wenn nicht vertragsmäßig. Derartige
prinzipielle Concessionen sind beiderseits unmöglich. Der Papst
besitzt die Mittel nicht, durch welche er uns die nöthigen Gegen-
leistungen machen könnte; die Centrumspartei, die staatsfeindliche
Presse, die polnische Agitation, gehorchen dem Papste nicht, auch
wenn Seine Heiligkeit diesen Elementen befehlen wollte, die Re-
girung zu unterstützen. Die im Centrum vereinten Kräfte fechten
zwar jetzt unter päpstlicher Flagge, sind aber an sich staatsfeind-
lich, auch wenn die Flagge der Katholicität aufhörte sie zu decken;
ihr Zusammenhang mit der Fortschrittspartei und den Socialisten
auf der Basis der Feindschaft gegen den Staat ist von dem
Kirchenstreit unabhängig. In Preußen wenigstens waren die Wahl-
kreise, in denen das Centrum sich ergänzt, auch vor dem Kirchen-
streite oppositionell, aus demokratischer Gesinnung, bis auf den
Adel in Westfalen und Oberschlesien, der unter der Leitung der
Jesuiten steht und von diesen absichtlich schlecht erzogen wird.