Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

24 Zweites Kapitel: Das Jahr 1848. 
war, zog die Börse. „Du wirst doch für die Mörder nichts geben,“ 
sagte ich, und auf einen warnenden Blick, den er mir zuwarf, 
„und Dich vor dem Kuhfuß nicht fürchten?“ Ich hatte in dem 
Posten schon den mir befreundeten Kammergerichtsrath Meier er- 
kannt, der sich auf den „Kuhfuß“ zornig umwandte und dann 
ausrief: „J. Jotte doch, Bismarck! wie sehn Sie aus! Schöne 
Schweinerei hier!“ 
Die Bürgerwache im Schlosse fragte mich, was ich dort wolle. 
Auf meine Antwort, ich hätte einen Brief des Prinzen Karl an 
den König abzugeben, sagte der Posten, mich mit mißtrauischen 
Blicken betrachtend, das könne nicht sein; der Prinz befinde sich 
eben beim Könige. Erstrer mußte also noch vor mir von Pots- 
dam abgereist sein. Die Wache verlangte den Brief zu sehn, den 
ich hätte; ich zeigte ihn, da er offen und der Inhalt unverfänglich 
war, und man ließ mich gehn, aber nicht in's Schloß. Im Gasthof 
Meinhard, parterre, lag ein mir bekannter Arzt im Fenster, zu 
dem ich eintrat. Dort schrieb ich dem Könige, was ich ihm zu 
sagen beabsichtigt hatte. Ich ging mit dem Briefe zum Fürsten 
Boguslaw Nadziwill, der freien Verkehr hatte und ihn dem Könige 
übergeben konnte. Es stand darin u. A., die Revolution beschränke 
sich auf die großen Städte, und der König sei Herr im Lande, sobald 
er Berlin verlasse. Der König antwortete nicht, hat mir aber 
später gesagt, er habe den auf schlechtem Papier schlecht geschrie- 
benen Brief als das erste Zeichen von Sympathie, das er damals 
erhalten, sorgfältig aufbewahrt. 
Auf meinen Gängen durch die Straßen, um die Spuren des 
Kampfes anzusehn, raunte ein Unbekannter mir zu: „Wissen Sie,' 
daß Sie verfolgt werden?“ Ein andrer Unbekannter flüsterte mir 
unter den Linden zu: „Kommen Sie mit“; ich folgte ihm in die 
Kleine Mauerstraße, wo er sagte: „Reisen Sie ab, oder Sie werden 
verhaftet.“ „Kennen Sie mich?“ fragte ich. „Ja,“ antwortete er, „Sie 
sind Herr von Bismarck.“ Von welcher Seite mir die Gefahr drohen 
sollte, von welcher die Warnung kam, habe ich nie erfahren. Der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.