Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

In den Straßen von Berlin. Prittwitz und Möllendorf. 25 
Unbekannte verließ mich schnell. Ein Straßenjunge rief mir nach: 
„Kiek, det is och en Franzos,“ eine Aeußerung, an die ich durch 
manche spätere Ermittlung erinnert worden bin. Mein allein un— 
rasirter langer Kinnbart, der Schlapphut und Frack hatten dem 
Jungen einen exotischen Eindruck gemacht. Die Straßen waren 
leer, kein Wagen sichtbar; zu Fuß nur einige Trupps in Blusen 
und mit Fahnen, deren einer in der Friedrichstraße einen lorbeer- 
bekränzten Barrikadenhelden zu irgend welcher Ovation geleitete. 
Nicht wegen der Warnung, sondern weil ich in Berlin keinen 
Boden für eine Thätigkeit fand, kehrte ich an demselben Tage nach 
Potsdam zurück und besprach mit den beiden Generalen Möllendorf 
und Prittwitz noch einmal die Möglichkeit eines selbständigen 
Handelns. „Wie sollen wir das anfangen?“ sagte Prittwitz. Ich 
klimperte auf dem geöffneten Klavier, neben dem ich saß, den 
Infanteriemarsch zum Angriff. Möllendorf fiel mir in Thränen 
und vor Wundschmerzen steif um den Hals und rief: „Wenn Sie uns 
das besorgen könnten!“ „Kann ich nicht,“ erwiderte ich; „aber wenn 
Sie es ohne Befehl thun, was kann Ihnen denn geschehn? Das 
Land wird Ihnen danken und der König schließlich auch.“ Prittwitz: 
„Können Sie mir Gewißheit schaffen, ob Wrangel und Hedemann 
mitgehn werden? wir können zur Insubordination nicht noch Zwist 
in die Armee bringen.“ Ich versprach das zu ermitteln, selbst nach 
Magdeburg zu gehn und einen Vertrauten nach Stettin zu schicken, 
um die beiden commandirenden Generale zu sondiren. Von Stettin 
kam der Bescheid des Generals von Wrangel: „Was Prittwitz thut, 
thue ich auch.“ Ich selbst war in Magdeburg weniger glücklich. 
Ich gelangte zunächst nur an den Adjutanten des Generals von Hede- 
mann, einen jungen Major, dem ich mich eröffnete und der mir 
seine Sympathie ausdrückte. Nach kurzer Zeit aber kam er zu mir 
in den Gasthof und bat mich, sofort abzureisen, um mir eine 
Unannehmlichkeit und dem alten General eine Lächerlichkeit zu 
ersparen; derselbe beabsichtige, mich als Hochverräther festnehmen 
zu lassen. Der damalige Oberpräsident von Bonin, die hbchste
	        
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