Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

Antrag auf Einsetzung einer Regentschaft. 37 
Prinzen von Preußen, eine Regentschaft der Prinzessin für ihren 
minderjährigen Sohn herzustellen. Ich lehnte sofort ab und er- 
klärte, daß ich einen Antrag des Inhalts mit dem Antrage auf 
gerichtliches Verfahren wegen Hochverraths beantworten würde. 
Vincke vertheidigte seine Anregung als eine politisch gebotene, 
durchdachte und vorbereitete Maßregel. Er hielt den Prinzen 
wegen der von ihm leider nicht verdienten Bezeichnung „Kartätschen- 
prinz“ für unmöglich und behauptete, daß dessen Einverständniß 
schriftlich vorliege. Damit hatte er eine Erklärung im Sinne, 
welche der ritterliche Herr ausgestellt haben soll, daß er, wenn 
sein König dadurch vor Gefahr geschützt werden könne, bereit sei 
auf sein Erbrecht zu verzichten. Ich habe die Erklärung nie gesehn, 
und der hohe Herr hat mir nie davon gesprochen. Herr von Vincke 
gab seinen Versuch, mich für die Regentschaft der Prinzessin zu 
gewinnen, schließlich kühl und leicht mit der Erklärung auf, ohne Mit- 
wirkung der äußersten Rechten, die er als durch mich vertreten ansah, 
werde der König nicht zum Rücktritt zu bestimmen sein. Die Ver- 
handlung fand bei mir im Hotel des Princes, parterre rechts, 
statt und enthielt beiderseits mehr, als sich niederschreiben läßt. 
Von diesem Vorgange und von der Aussprache, welche ich 
von seiner Gemalin während der Märztage in dem Potsdamer 
Stadtschlosse zu hören bekommen hatte, habe ich dem Kaiser Wilhelm 
niemals gesprochen und weiß nicht, ob Andre es gethan haben. 
Ich habe ihm diese Erlebnisse verschwiegen auch in Zeiten wie die 
des vierjährigen Conflicts, des östreichischen Krieges und des Cultur- 
kampfs, wo ich in der Königin Augusta den Gegner erkennen mußte, 
welcher meine Fähigkeit, zu vertreten was ich für meine Pflicht hielt, 
und meine Nerven auf die schwerste Probe im Leben gestellt hat. 
Dagegen muß sie ihrem Gemal nach England geschrieben 
haben, daß ich versucht hatte, zu ihm zu gelangen, um seine Unter- 
stützung für eine contrarevolutionäre Bewegung zur Befreiung des 
Königs zu gewinnen; denn als er auf der Rückkehr am 7. Juni 
einige Minuten auf dem Genthiner Bahnhof verweilte und ich
	        
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