46 Zweites Kapitel: Das Jahr 1848.
die Frage des Gehorsams gegen militärische Befehle nicht berührt
haben würde. Auch das Einrücken größerer Truppenmassen in
Berlin nach dem Zeughaussturme und ähnlichen Vorgängen würde
nicht blos von den Soldaten, sondern auch von der Mehrheit der
Bevölkerung als dankenswerthe Ausübung eines zweifellosen könig-
lichen Rechts aufgefaßt worden sein, wenn auch nicht von der
Minderheit, welche die Leitung übte; und auch wenn die Bürger-
wehr sich hätte widersetzen wollen, so würde sie bei den Truppen
nur den berechtigten Kampfeszorn gesteigert haben. Ich kann mir
kaum denken, daß der König im Sommer an seiner materiellen
Macht, der Revolution in Berlin ein Ende zu machen, Zweifel
gehabt haben sollte, vermuthe vielmehr, daß Hintergedanken rege
waren, ob nicht die Berliner Versammlung und der Friede mit
ihr und ihrem Rechtsboden unter irgend welchen Constellationen
direct oder indirect nützlich werden könne, sei es in Combinationen
mit dem Frankfurter Parlamente oder gegen dasselbe, sei es, um
nach andern Seiten hin in der deutschen Frage einen Druck auszu-
üben, und ob der formale Bruch mit der preußischen Volksvertretung
die deutschen Aussichten compromittiren könne. Den Umzug in
den deutschen Farben setze ich allerdings nicht auf Rechnung solcher
Neigungen des Königs; er war damals körperlich und geistig so
angegriffen, daß er Zumuthungen, die ihm mit Entschiedenheit ge-
macht wurden, wenig Widerstand entgegensetzte.
Bei meinem Verkehr in Sanssouci lernte ich die Personen
kennen, die das Vertrauen des Königs auch in politischen Dingen
besaßen, und traf zuweilen in dem Cabinet mit ihnen zusammen.
Es waren das besonders die Generale Leopold von Gerlach und
von Rauch, später Niebuhr, der Cabinetsrath.
Rauch war praktischer, Gerlach in der Entschließung über
actuelle Vorkommnisse mehr durch geistreiche Gesammtauffassung
angekränkelt, eine edle Natur von hohem Schwung, doch frei von
dem Fanatismus seines Bruders, des Präsidenten Ludwig von
Gerlach, im gewöhnlichen Leben bescheiden und hülflos wie ein