Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

52 Zweites Kapitel: Das Jahr 1848. 
Zeit in seiner Wohnung unter den Linden sei, und ermächtigte mich, 
dem Obersten von Griesheim zu schreiben, daß er die Wohnung 
„seines abwesenden Freundes“, des Grafen Kniephausen, für poli— 
zeiliche Zwecke zur Verfügung stelle. Spät zu Bett gegangen, 
wurde ich um 7 Uhr Morgens durch einen Boten Platens mit der 
Bitte, ihn zu besuchen, geweckt. Ich fand ihn sehr erregt darüber, 
daß eine Abtheilung von etwa 100 Mann im Hofe seiner Woh— 
nung, also grade dort, wo er den Sitz der Gesandschaft bezeichnet 
hatte, aufmarschirt war. Griesheim hatte wahrscheinlich den durch 
meine Mittheilung veranlaßten Befehl irgend einem Beamten er- 
theilt, der das Mißverständniß angerichtet hatte. Ich ging zu ihm 
und erwirkte den Befehl an den Führer der Abtheilung, die Kniep- 
hausensche Wohnung zu besetzen, was denn auch geschah, nachdem 
es schon Tag geworden, während die Besetzung der übrigen ge- 
wählten Häuser in der Nacht heimlich erfolgt war. Vielleicht be- 
wirkte grade der zufällige Anschein offner Entschlossenheit, daß 
der Gensdarmenmarkt, als die Minister sich in das Schauspielhaus 
begaben, ganz leer war. 
Als Wrangel an der Spitze der Truppen eingezogen war (10. No- 
vember), verhandelte er mit der Bürgerwehr und bewog sie zum 
freiwilligen Abzuge. Ich hielt das für einen politischen Fehler; wenn 
es zum kleinsten Gefecht gekommen wäre, so wäre Berlin nicht durch 
Capitulation, sondern gewaltsam eingenommen, und dann wäre die 
politische Stellung der Regirung eine andre gewesen. Daß der 
König die Nationalversammlung nicht gleich auflöste, sondern auf 
einige Zeit vertagte und nach Brandenburg verlegte und den Ver- 
such machte, ob sich dort eine Majorität finden würde, mit der ein 
befriedigender Abschluß zu erreichen war, beweist, daß in der poli- 
tischen Entwicklung, die dem Könige vorschweben mochte, die 
Rolle der Versammlung auch damals noch nicht ausgespielt war. 
Daß diese Rolle auf dem Gebiete der deutschen Frage gedacht war, 
dafür sind mir einige Symptome erinnerlich. In Privatgesprächen 
der maßgebenden Politiker während der Vertagung der Versamm-
	        
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