Selbsttäuschung der Frankfurter. Ablehnung der Kaiserkrone. 57
verschwunden und nur noch die Gefahr vorhanden, daß der Rück-
schlag über das vernünftige Maß hinausgehn werde. In den
übrigen norddeutschen Staaten kam es nicht einmal zu solchen Con-
flicten, wie sie das Ministerium Brandenburg in einzelnen Pro-
vinzialstädten zu bekämpfen hatte. Auch in Baiern und Würtem-
berg erwies sich das Königthum trotz antiköniglicher Minister schließ-
lich stärker als die Revolution.
Als der König am 3. April 1849 die Kaiserkrone ablehnte,
aber aus dem Beschlusse der Frankfurter Versammlung „ein An-
recht“ entnahm, dessen Werth er zu schätzen wisse, war er dazu
hauptsächlich bewogen durch den revolutionären oder doch parla-
mentarischen Ursprung des Anerbietens und durch den Mangel
eines staatsrechtlichen Mandats des Frankfurter Parlaments bei
mangelnder Zustimmung der Dynastien. Aber auch wenn alle
diese Mängel nicht, oder doch in den Augen des Königs nicht,
vorhanden gewesen wären, so würde unter ihm eine Fortbildung
und Kräftigung der Reichs-Institutionen, wie sie unter Kaiser Wil-
helm stattgefunden hat, kaum zu erwarten gewesen sein. Die Kriege,
welche der Letztere geführt hat, würden nicht ausgeblieben sein,
nur würden sie nach der Constituirung des Kaiserthums, als Folge
derselben, und nicht vorher, das Kaiserthum vorbereitend und her-
stellend, zu führen gewesen sein. Ob Friedrich Wilhelm IV. zur
rechtzeitigen Führung derselben hätte bewogen werden können, weiß
ich nicht; es war das schon schwierig bei seinem Herrn Bruder, in
dem die militärische Ader und das preußische Offiziersgefühl vor-
wiegend waren.
Wenn ich die damaligen preußischen Zustände, persönliche und
sachliche, als nicht reif zur Uebernahme der Führung in Deutsch-
land in Krieg und Frieden bezeichne, so will ich damit nicht gesagt
haben, daß ich damals die Voraussicht davon mit derselben Klar-
heit gehabt habe, wie heut im Rückblick auf eine 40jährige seitdem
verflossene Entwicklung. Meine damalige Befriedigung über die
Ablehnung der Kaiserkrone durch den König lag nicht in der vor-