Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

60 Drittes Kapitel: Erfurt, Olmütz, Dresden. 
Einzelheiten der künftigen Verfassung, unter denen eine der breitesten 
Stellen die Frage von dem Gesandschaftsrecht der deutschen Fürsten 
neben dem des Deutschen Reiches einnahm 1. Ich habe damals in 
den mir-zugänglichen Kreisen am Hofe und unter den Abgeordneten 
die Ansicht vertreten, daß das Gesandschaftsrecht nicht die Wichtig- 
keit habe, die man ihm beilegte, sondern der Frage von dem Ein- 
flusse der einzelnen Bundesfürsten im Reiche oder im Auslande 
untergeordnet sei. Wäre der Einfluß eines solchen auf die Politik 
gering, so würden seine Gesandschaften im Auslande den einheit- 
lichen Eindruck des Reiches nicht abschwächen können; bliebe sein 
Einfluß auf Krieg und Frieden, auf die politische und finanzielle 
Leitung des Reiches oder auf die Entschließungen fremder Höfe 
stark genug, so gebe es kein Mittel, zu verhindern, daß fürstliche 
Correspondenzen oder irgend welche mehr oder weniger distinguirte 
Privatleute, bis in die Kategorie der internationalen Zahnärzte hinein, 
die Träger politischer Verhandlungen würden. 
Mir schien es damals nützlicher, anstatt der theoretischen Er- 
örterungen über Verfassungsparagraphen die vorhandene lebens- 
kräftige preußische Militärmacht in den Vordergrund zu stellen, wie 
es gegen den Aufstand in Dresden geschehn war und in den übrigen 
außerpreußischen Staaten hätte geschehn können. Die Dresdner Vor- 
gänge hatten gezeigt, daß in der sächsischen Truppe Disciplin und 
Treue unerschüttert waren, sobald die preußische Verstärkung die 
militärische Lage haltbar machte. Ebenso erwiesen sich bei den Kämpfen 
in Frankfurt die hessische, in Baden die mecklenburgische Truppe 
zuverlässig, sobald sie überzeugt waren, daß eine bewußte Leitung 
stattfand und einheitliche Befehle gegeben wurden, und sobald man 
ihnen nicht zumuthete, sich angreifen zu lassen und sich nicht zu 
wehren. Hätte man damals von Berlin aus die eigne Armee recht- 
zeitig und hinreichend verstärkt und mit ihr die Führung auf mili- 
  
1) Vgl. Bismarck's Aeußerung in der Reichstagsrede vom 8. März 1878, 
Politische Reden VII 184 f.
	        
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