Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

Bedenken und Hintergedanken. 61 
tärischem Gebiete ohne Hintergedanken übernommen, so weiß ich 
nicht, was zu Zweifeln an einem günstigen Erfolge hätte berech- 
tigen können. Die Situation war nicht so klar in allen Rechts- 
und Gewissensfragen wie Anfangs März 1848, aber politisch 
immerhin nicht ungünstig. 
Wenn ich von Hintergedanken spreche, so meine ich damit den 
Verzicht auf Beifall und Popularität bei verwandten Fürstenhäusern, 
bei Parlamenten, Historikern und in der Tagespresse. Als öffent- 
liche Meinung imponirte damals die tägliche Strömung, die in 
der Presse und den Parlamenten am lautesten rauscht, aber nicht 
maßgebend ist für die Volksstimmung, von der es abhängt, ob die 
Masse den auf regelmäßigem Wege von oben ergehenden Anforde- 
rungen noch Folge leistet. Die geistige Potenz der obern Zehn- 
tausend in der Presse und auf der Tribüne ist von einer zu 
großen Mannigfaltigkeit sich kreuzender Bestrebungen und Kräfte 
getragen und geleitet, als daß die Regirungen aus ihr die Richt- 
schnur für ihr Verhalten entnehmen könnten, so lange nicht die 
Evangelien der Redner und Schriftsteller vermöge des Glaubens, 
den sie bei den Massen finden, die materiellen Kräfte, die sich 
„hart im Raume“ stoßen, zur Verfügung haben. Ist dies der 
Fall, so tritt vis major ein, mit der die Politik rechnen muß. 
So lange diese, in der Regel nicht schnell eintretende Wirkung 
nicht vorliegt, so lange nur das Geschrei der rerum novarum cupidi 
in größern Centren, das Emotionsbedürfniß der Presse und des 
parlamentarischen Lebens den Lärm machen, tritt für den Real- 
politiker die Betrachtung Coriolans über populäre Kundgebungen 
in Kraft, wenn auch in ihr die Druckerschwärze noch keine Er- 
wähnung findet. Die leitenden Kreise in Preußen ließen sich aber 
damals durch den Lärm der großen und kleinen Parlamente be- 
täuben, ohne deren Gewicht an dem Barometer zu messen, den 
ihnen die Haltung der Mannschaft in Reih und Glied oder der Ein- 
berufung gegenüber an die Hand gab. Zu der Täuschung über 
die realen Machtverhältnisse, die ich damals bei Hofe und bei dem
	        
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