62 Drittes Kapitel: Erfurt, Olmütz, Dresden.
Könige selbst habe constatiren können, haben die Sympathien der
höhern Beamtenschichten theils für die liberale, theils für die natio—
nale Seite der Bewegung viel beigetragen — ein Element, das
ohne einen Impuls von oben wohl hemmend, aber nicht thatsächlich
entscheidend in's Gewicht fallen konnte.
Gegenüber der Versuchung, die in der Situation lag, hatte
der König ein Gefühl, welches ich dem Unbehagen vergleichen
möchte, von dem ich, obwohl ein großer Liebhaber des Schwimmens,
ergriffen wurde, wenn ich an einem kalten stürmischen Tage den
ersten Schritt in das Wasser thun wollte. Seine Bedenken, ob die
Dinge reif seien, wurden unter anderm genährt durch die ge-
schichtlichen Erörterungen, die er mit Radowitz pflog, nicht nur
über das sächsische und hanöversche Gesandschaftsrecht, sondern
auch über die Vertheilung der Sitze im „Reichstage“ zwischen Regi-
renden und Mediatisirten, zwischen Landesherrn und Personalisten,
recipirten und nicht recipirten Grafen unter den verschiedenen
Kategorien der Reichstagsmasse, wobei die Specialität des Freien
Standesherrn von Grote-Schauen zu untersuchen war.
II.
Den militärischen Vorgängen stand ich damals weniger nahe
als später, glaube aber nicht zu irren, wenn ich annehme, daß für
die Truppenbewegungen zur Unterdrückung der Aufstände in der
Pfalz und in Baden mehr Cadres und Stämme verwendet wurden
als rathsam und als erforderlich gewesen wäre, wenn man feld-
mäßig mobile Truppen hätte marschiren lassen. Thatsache ist,
daß mir der Kriegsminister zur Zeit der Olmützer Begegnung als
einen der zwingenden Gründe für den Frieden oder doch Aufschub
des Krieges die Unmöglichkeit angab, den großen Theil der Armee
rechtzeitig oder überhaupt zu mobilisiren, dessen Stämme sich in
Baden oder sonst außerhalb ihrer Stand= und Mobilmachungs-