70 Drittes Kapitel: Erfurt, Olmütz, Dresden.
tion gebrochen und der niedergelassene oldenburgische Schlagbaum
von den preußischen Truppen beseitigt.
Die Erwägungen eines sachkundigen und ehrliebenden Generals,
wie Stockhausen, konnte ich einer Kritik nicht unterziehn und ver-
mag das auch heut noch nicht. Die Schuld an unsrer militäri-
schen Gebundenheit, die er mir schilderte, lag nicht an ihm, sondern
an der Planlosigkeit, mit der unfsre Politik auf militärischem Ge-
biete sowohl wie auf diplomatischem in und seit den Märztagen
mit einer Mischung von Leichtfertigkeit und Knauserei geleitet
worden war. Auf militärischem namentlich war sie von der Art,
daß man nach den getroffenen Maßregeln voraussetzen muß, daß
eine kriegerische oder auch nur militärische Lösung der schwebenden
Fragen in letzter Instanz in Berlin überhaupt nicht in Erwägung
gezogen wurde. Man war zu sehr mit öffentlicher Meinung, Reden,
Zeitungen und Verfassungsmacherei präoccupirt, um auf dem Gebiete
der auswärtigen, selbst nur der außerpr eußischen deutschen Politik
zu festen Absichten und praktischen Zielen gelangen zu können. Stock-
hausen war nicht im Stande, die Unterlassungssünden und die
Planlosigkeit unfrer Politik durch plötzliche militärische Leistungen
wieder gut zu machen, und gerieth so in eine Situation, die selbst
der politische Leiter des Ministeriums, Graf Brandenburg, nicht
für möglich gehalten hatte. Denn derselbe erlag der Enttäuschung,
welche sein hohes patriotisches Ehrgefühl in den letzten Tagen
seines Lebens erlitten hatte 1). Es ist Unrecht, Stockhausen der
Kleinmüthigkeit anzuklagen, und ich habe Grund zu glauben, daß
auch König Wilhelm I. zu der Zeit, da ich sein Minister wurde,
meine Auffassung bezüglich der militärischen Situation im No-
vember 1850 theilte. Wie dem auch sei, mir fehlte damals jede
Unterlage zu einer Kritik, die ich als conservativer Abgeordneter
einem Minister auf militärischem Gebiete, als Landwehr-Lieutenant
dem General gegenüber hätte ausüben können.
1) S. o. S. 66 Anm. 1.