Nuhigere Auffassung der deutschen Revolution in Petersburg. Budberg. 75
in Petersburg beunruhigte und als eine militärische Gefahr im
Kriegsfalle aufgefaßt wurde. Im März 1848 erschien den Russen
die Entwicklung der Revolution in Deutschland und Polen noch
als etwas Unberechenbares und Gefährliches. Der erste russische
Diplomat, der in Petersburg durch seine Berichte eine andre An-
sicht vertrat, war der damalige Geschäftsträger in Frankfurt am
Main, spätre Gesandte in Berlin, Baron von Budberg. Seine
Berichte über die Verhandlungen und die Bedeutung der Paulskirche
waren von Hause aus satirisch gefärbt, und die Geringschätzung,
mit welcher dieser junge Diplomat von den Reden der deutschen
Professoren und von der Machtstellung der Nationalversammlung
in seinen Berichten sprach, hatte den Kaiser Nicolaus dergestalt
befriedigt, daß Budberg's Carridre dadurch gemacht und er sehr
schnell zum Gesandten und Botschafter befördert wurde. Er hatte in
ihnen vom antideutschen Standpunkte eine analoge politische Schätzung
zum Ausdruck gebracht, wie sie in den altpreußischen Kreisen in
Berlin, in denen er früher gelebt hatte, in landsmannschaftlicher
und besorgter Weise herrschend war, und man kann sagen, daß
die Auffassung, als deren erster Erfinder er in Petersburg Carrière
machte, dem Berliner „Casino“ entsprungen war. Seitdem hatte
man in Rußland nicht nur die militärische Stellung an der Weichsel
wesentlich verstärkt, sondern auch einen geringern Eindruck von
der damaligen militärischen Leistungsfähigkeit der Revolution sowohl
wie der deutschen Regirungen gewonnen, und die Sprache, welche
ich im November 1850 bei dem mir befreundeten russischen Ge-
sandten Baron Meyendorff und seinen Landsleuten hörte, war eine
im russischen Sinne vollkommen zuversichtliche, von einer persönlich
wohlwollenden, aber für mich verletzenden Theilnahme für die Zu-
kunft des befreundeten Preußens durchsetzt. Sie machte mir den
Eindruck, daß man Oestreich für den stärkern und zuverlässigern
Theil und Rußland selbst für stark genug hielt, um die Ent-
scheidung zwischen beiden in die Hand zu nehmen.