Viertes Kapitel.
Diplomatl.
Nachdem die preußische Regirung sich entschlossen hatte, den
von Oestreich reactivirten Bundestag zu beschicken und dadurch
vollzählig zu machen, wurde der General von Rochow, der in
Petersburg accreditirt war und blieb, provisorisch zum Bundestags-
Gesandten ernannt. Gleichzeitig wurden zwei Legationsräthe für
die Gesandschaft auf den Etat gebracht, ich selbst und Herr
von Gruner. Mir wurde durch Se. Majestät und den Minister
von Manteuffel vor meiner Ernennung zum Legationsrath die
demnächstige Ernennung zum Bundestags-Gesandten in Aussicht
gestellt. Rochow sollte mich einführen und anlernen, konnte aber
selbst nicht geschäftsmäßig arbeiten und benutzte mich als Redacteur,
ohne mich politisch au fait zu halten.
Das meiner Ernennung vorhergehende Gespräch mit dem
Könige, kurz gegeben in einem Briefe meines verstorbenen Freundes.
J. L. Motley an seine Frau#), verlief folgendermaßen. Nachdem
ich auf die plötzliche Frage des Ministers Manteuffel, ob ich die
Stelle eines Bundesgesandten annehmen wolle, einfach mit Ja
geantwortet hatte, ließ der König mich zu sich bescheiden und sagte:
„Sie haben viel Muth, daß Sie so ohne Weitres ein Ihnen fremdes
Amt übernehmen.“ Ich erwiderte: „Der Muth ist ganz auf Seiten
Eurer Majestät, wenn Sie mir eine solche Stellung anvertrauen,
1) S. Motley's Brief vom 27. Juli 1855, Briefwechsel von J. L. Motley,
übersetzt von Eltze (Berlin 1890) I 175. «