Der Krieg eine nationale Nothwendigkeit. 89
reichs Leitung beschwichtigt, theils aus süddeutscher Vorliebe für
den alten Kaiserstaat, theils in dem Glauben an die militärische
Ueberlegenheit desselben über Preußen. Nachdem die Ereignisse
den Irrthum der Schätzung festgestellt hatten, war grade die
Hülflosigkeit der süddeutschen Staaten, in der Oestreich sie bei dem
Friedensschlusse gelassen hatte, ein Motiv für das politische Da—
mascus, das zwischen Varnbülers „Vae Victis“ zu dem bereit-
willigen Abschlusse des Schutz= und Trutzbündnisses mit Preußen
lag. Es war das Vertrauen auf die durch Preußen entwickelte
germanische Kraft und die Anziehung, welche einer entschlossenen und
tapfern Politik innewohnt, wenn sie Erfolg hat und dann sich in
vernünftigen und ehrlichen Grenzen bewegt. Diesen Nimbus hatte
Preußen gewonnen; er ging unwiderruflich oder doch auf lange Zeit
verloren, wenn in einer nationalen Ehrenfrage die Meinung im
Volke Platz griff, daß die französische Insulte „La Prusse cane“
einen thatsächlichen Hintergrund habe.
In derselben psychologischen Auffassung, in welcher ich 1864
im dänischen Kriege aus politischen Gründen gewünscht hatte, daß
nicht den altpreußischen, sondern den westfälischen Bataillonen, die
bis dahin keine Gelegenheit gehabt hatten, unter preußischer Füh-
rung ihre Tapferkeit zu bewähren, der Vortritt gelassen werde,
und bedauerte, daß der Prinz Friedrich Carl meinem Wunsche
entgegen gehandelt hatte, in derselben Auffassung war ich über-
zeugt, daß die Kluft, die die Verschiedenheit des dynastischen und
Stammesgefühls und der Lebensgewohnheiten zwischen dem Süden
und dem Norden des Vaterlandes im Laufe der Geschichte geschaffen
hatte, nicht wirksamer überbrückt werden könne als durch einen
gemeinsamen nationalen Krieg gegen den seit Jahrhunderten
aggressiven Nachbar. Ich erinnerte mich, daß schon in dem kurzen
Zeitraume von 1813 bis 1815, von Leipzig und Hanau bis Belle
Alliance, der gemeinsame und siegreiche Kampf gegen Frankreich
die Beseitigung des Gegensatzes ermöglicht hatte zwischen einer
hingebenden Rheinbundspolitik und dem nationaldeutschen Auf-