96 Dreiundzwanzigstes Kapitel: Versailles.
als Stabsoffizier eines Cavallerie-Regiments; und es blieb 1870
mir gegenüber bei dem militärischen Boycott, wie man heut sagen
würde.
Wenn man die Theorie, welche der Generalstab mir gegen-
über zur Anwendung brachte und die auch kriegswissenschaftlich ge-
lehrt werden soll, so ausdrücken kann: der Minister der Aus-
wärtigen Angelegenheiten kommt erst wieder zum Wort, wenn die
Heeresleitung die Zeit gekommen findet, den Janustempel zu schließen,
so liegt schon in dem doppelten Gesicht des Janus die Mahnung,
daß die Regirung eines kriegführenden Staates auch nach andern
Richtungen zu sehn hat, als nach dem Kriegsschauplatze. Aufgabe
der Heeresleitung ist die Vernichtung der feindlichen Streitkräfte;
Zweck des Krieges die Erkämpfung des Friedens unter Bedingun-
gen, die der von dem Staate verfolgten Politik entsprechen. Die
Feststellung und Begrenzung der Ziele, die durch den Krieg er-
reicht werden sollen, die Berathung des Monarchen in Betreff
derselben ist und bleibt während des Krieges wie vor demselben
eine politische Aufgabe, und die Art ihrer Lösung kann nicht ohne
Einfluß auf die Art der Kriegführung sein. Die Wege und Mittel
der letztern werden immer davon abhängig sein, ob man das
schließlich gewonnene Resultat oder mehr oder weniger hat erreichen
wollen, ob man Landabtretungen fordern oder auf solche verzichten,
ob man Pfandbesitz und auf wie lange gewinnen will.
Noch schwerer wirkt in gleicher Richtung die Frage, ob und
aus welchen Motiven andre Mächte geneigt sein könnten, dem
Gegner zunächst diplomatisch, eventuell militärisch beizustehn, welche
Aussicht die Vertreter einer solchen Einmischung haben, an fremden
Höfen ihren Zweck zu erreichen, wie die Parteien sich gruppiren
würden, wenn es zu Conferenzen oder zu einem Congresse käme,
ob Gefahr vorhanden, daß aus der Einmischung der Neutralen sich
weitre Kriege entwickeln. Namentlich aber zu beurtheilen, wann
der richtige Moment eingetreten sei, den Uebergang vom Kriege
zum Frieden einzuleiten, dazu sind Kenntnisse der europäischen Lage