Wechselbeziehung zwischen Heeresleitung und Diplomatie. 97
erforderlich, die dem Militär nicht geläufig zu sein brauchen, In-
formationen, die ihm nicht zugänglich sein können. Die Verhand-
lungen in Nikolsburg 1866 beweisen, daß die Frage von Krieg
und Frieden auch im Kriege stets zur Competenz des verantwort-
lichen politischen Ministers gehört und nicht von der technischen
Armeeleitung entschieden werden kann; der competente Minister
aber kann dem Könige nur dann sachkundigen Rath ertheilen, wenn
er Kenntniß von der jeweiligen Lage und den Intentionen der
Kriegführung hat.
Im fünften Kapitel ist der Plan zur Zerstückelung Ruß-
lands erwähnt, den die Wochenblattspartei hegte und Bunsen in
einer dem Minister von Manteuffel eingereichten Denkschrift in
aller kindlichen Nacktheit entwickelt hatte 0). Den damals unmög-
lichen Fall angenommen, daß der König für diese Utopie ge-
wonnen wurde, angenommen ferner, daß die preußischen Heere und
ihre etwaigen Verbündeten in siegreichem Vorschreiten waren, so
würde sich doch eine artige Reihe von Fragen aufgedrängt haben:
ob uns der weitre Erwerb polnischer Landstriche und Bevölke-
rungen wünschenswerth sei, ob es nothwendig, die vorspringende
Grenze Congreßpolens, den Ausgangspunkt russischer Heere weiter
nach Osten, weiter ab von Berlin zu rücken, analog dem Be-
dürfnisse, im Westen den Druck zu beseitigen, den Straßburg
und die Weißenburger Linien auf Süddeutschland ausübten, ob
Warschau in polnischen Händen für uns unbequemer werden
könnte als in russischen. Das alles sind rein politische Fragen,
und wer wird leugnen wollen, daß ihre Entscheidung einen voll-
berechtigten Einfluß auf die Richtung, die Art, den Umfang der
Kriegführung hätte fordern, daß zwischen Diplomatie und Strategie
eine Wechselwirkung in Berathung des Monarchen hätte bestehn.
müssen?
) S. Bd. 110 fl.
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 7