Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

104 Dreiundzwanzigstes Kapitel: Versailles. 
zurückgeschreckt war, würde ich auch den der italienischen Republi- 
kaner für annehmbar gehalten haben, wenn es sich um Verhütung 
der Niederlage und um Vertheidigung unfrer nationalen Selb- 
ständigkeit gehandelt hätte. Die Velleitäten des Königs von Italien 
und des Grafen Beust, die durch unfre ersten glänzenden Erfolge 
zurückgedrängt waren, konnten bei der Stagnation vor Paris um 
so leichter wieder aufleben, als wir in den maßgebenden Kreisen 
eines so gewichtigen Factors wie England über zuverlässige Sym- 
pathien und namentlich über solche, welche bereit gewesen wären, 
sich auch nur diplomatisch zu bethätigen, keineswegs verfügen 
konnten. 
In Rußland gewährten die persönlichen Gefühle Alexanders II., 
nicht nur die freundschaftlichen für seinen Oheim, sondern auch 
die antifranzösischen, uns eine Bürgschaft, die freilich durch die 
französirende Eitelkeit des Fürsten Gortschakow und durch seine 
Rivalität mir gegenüber abgeschwächt werden konnte. Es war 
deshalb eine Gunst des Schicksals, daß die Situation eine Möglich- 
keit bot, Rußland eine Gefälligkeit in Betreff des Schwarzen 
Meeres zu erweisen. Aehnlich wie die Empfindlichkeiten des russi- 
schen Hofes, die sich vermöge der russischen Verwandschaft der 
Königin Marie an den Verlust der hanöverschen Krone knüpften, 
ihr Gegengewicht in den Concessionen fanden, die dem olden- 
burgischen Verwandten der russischen Dynastie auf territorialem 
und finanziellem Gebiete 1866 gemacht worden waren, bot sich 
1870 die Möglichkeit, nicht nur der Dynastie, sondern auch dem 
russischen Reiche einen Dienst zu erweisen in Betreff der politisch 
unvernünftigen und deshalb auf die Dauer unmöglichen Stipu- 
lationen, die dem russischen Reiche die Unabhängigkeit seiner 
Küsten des Schwarzen Meeres beschränkten. Es waren die un- 
geschicktesten Bestimmungen des Pariser Friedens; einer Nation 
von hundert Millionen kann man die Ausübung der natürlichen 
Rechte der Souveränetät an ihren Küsten nicht dauernd untersagen. 
Die Servitut der Art, welche fremden Mächten auf russischem
	        
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