118 Dreiundzwanzigstes Kapitel: Versailles.
Präsidialrechte, für die die bairische Zustimmung geschäftlich be-
reits vorlag, dem Könige von Preußen ohne Verstimmung des
bairischen Selbstgefühls nicht werde einräumen können; der König
von Preußen sei ein Nachbar des Königs von Baiern, und bei
der Verschiedenheit der Stammesbeziehungen werde die Kritik über
die Concessionen, welche Baiern mache und gemacht habe, schärfer
und für die Rivalitäten der deutschen Stämme empfindlicher werden.
Preußische Autorität innerhalb der Grenzen Baierns ausgeübt,
sei neu und werde die bairische Empfindung verletzen, ein deut-
scher Kaiser aber sei nicht der im Stamme verschiedene Nachbar
Baierns, sondern der Landsmann; meines Erachtens könne der
König Ludwig die von ihm der Autorität des Präsidiums bereits
gemachten Concessionen schicklicher Weise nur einem deutschen Kaiser,
nicht einem Könige von Preußen machen. Dieser Hauptlinie meiner
Argumentation hatte ich noch persönliche Argumente hinzugefügt,
in Erinnerung an das besondre Wohlwollen, welches die bairische
Dynastie zu der Zeit, wo sie in der Mark Brandenburg regirte
(Kaiser Ludwig), während mehr als einer Generation meinen Vor-
fahren bethätigt habe. Ich hielt dieses argumentum ad hominem
einem Monarchen von der Richtung des Königs gegenüber für nütz-
lich, glaube aber, daß die politische und dynastische Würdigung des
Unterschieds zwischen kaiserlich deutschen und königlich preußischen
Präsidialrechten entscheidend in's Gewicht gefallen ist. Der Graf
trat seine Reise nach Hohenschwangau binnen zwei Stunden, am
27. November, an und legte sie unter großen Schwierigkeiten und
mit häufiger Unterbrechung in vier Tagen zurück. Der König war
wegen eines Zahnleidens bettlägrig, lehnte zuerst ab, ihn zu em-
pfangen, nahm ihn aber an, nachdem er vernommen hatte, daß
der Graf in meinem Auftrage und mit einem Briefe von mir
komme. Er hat darauf im Bette mein Schreiben in Gegenwart
des Grafen zweimal sorgfältig durchgelesen, Schreibzeug gefordert
und das von mir erbetene und im Concept entworfene Schreiben
an den König Wilhelm zu Papier gebracht. Darin war das