120 Dreiundzwanzigstes Kapitel: Versailles.
leichter geneigt, dem Minister, als seinem Herrn Sohne Concessionen
zu machen, in gewissenhafter Erinnerung an Verfassungseid und
Ministerverantwortlichkeit. Meinungsverschiedenheiten mit dem Kron—
prinzen faßte er von dem Standpunkte des pater familias auf.
In der Schlußberathung am 17. Januar 1871 lehnte er die
Bezeichnung Deutscher Kaiser ab und erklärte, er wolle Kaiser von
Deutschland oder garnicht Kaiser sein. Ich hob hervor, wie die
adjectivische Form Deutscher Kaiser und die genitivische Kaiser von
Deutschland sprachlich und zeitlich verschieden seien. Man hätte
Römischer Kaiser, nicht Kaiser von Rom gesagt; der Zar nenne
sich nicht Kaiser von Rußland, sondern Russischer, auch „gesammt—
russischer“ (wserossiski) Kaiser. Das Letztre bestritt der König mit
Schärfe, sich darauf berufend, daß die Rapporte seines russischen
Regiments Kaluga stets „pruskomu“ adressirt seien, was er irr-
thümlich übersetzte. Meiner Versicherung, daß die Form der Dativ
des Adjectivums sei, schenkte er keinen Glauben und hat sich erst
nachher von seiner gewohnten Autorität für russische Sprache, dem
Hofrath Schneider, überzeugen lassen. Ich machte ferner geltend,
daß unter Friedrich dem Großen und Friedrich Wilhelm II. auf
den Thalern Borussorum, nicht Borussiae rex erscheine, daß der
Titel Kaiser von Deutschland einen landesherrlichen Anspruch auf
die nichtpreußischen Gebiete involvire, den die Fürsten zu bewilligen
nicht gemeint wären; daß in dem Schreiben des Königs von Baiern
in Anregung gebracht sei, daß „die Ausübung der Präsidialrechte
mit Führung des Titels eines Deutschen Kaisers verbunden werde“;
endlich daß derselbe Titel auf Vorschlag des Bundesrathes in die
neue Fassung des Artikel 11 der Verfassung aufgenommen sei.
Die Erörterung ging über auf den Rang zwischen Kaisern
und Königen, zwischen Erzherzogen, Großfürsten und preußischen
Prinzen. Meine Darlegung, daß den Kaisern im Prinzip ein
Vorrang vor Königen nicht eingeräumt werde, fand keinen Glauben,
obwohl ich mich darauf berufen konnte, daß Friedrich Wilhelm I.
bei einer Zusammenkunft mit Karl VI., der doch dem Kurfürsten