Bildung des Centrums. Polnische Seite des Culturkampfs. 127
Cardinal-Staatssekretärs Franchi zu denken, dahingestellt sein. Von
Rußland hat man gesagt: gouvernement absolu tempéré par le
régicide. Ist ein Papst, der in der Nichtachtung der in der Kirchen-
politik concurrirenden Organe zu weit ginge, vor kirchlichen „Nihi-
listen“ sichrer als der Zar? Gegenüber Bischöfen, die im Vatican
versammelt sind, ist der Papst stark; und wenn er mit dem
Jesuitenorden geht, stärker, als wenn er außerhalb seiner Residenz
versucht, den Widerstand der weltlichen Jesuiten zu brechen, die
die Träger des parlamentarischen Katholicismus zu sein pflegen.
II.
Der Beginn des Culturkampfes war für mich überwiegend
bestimmt durch seine polnische Seite. Seit dem Verzicht auf die
Politik der Flottwell und Grolman, seit der Consolidirung des
Radziwill'schen Einflusses auf den König und der Einrichtung der
„katholischen Abtheilung“ im geistlichen Ministerium, stellten die
statistischen Data einen schnellen Fortschritt der polnischen Natio-
nalität auf Kosten der Deutschen in Posen und Westpreußen
außer Zweifel, und in Oberschlesien wurde das bis dahin stramm
preußische Element der „Wasserpolacken“ polonisirt; Schaffranek
wurde dort in den Landtag gewählt, der uns das Sprichwort von
der Unmöglichkeit der Verbrüderung der Deutschen und der Polen
in polnischer Sprache als Parlamentsredner entgegenhielt. Der-
gleichen war in Schlesien nur möglich auf Grund der amtlichen
Autorität der katholischen Abtheilung. Auf Klage bei dem Fürst-
bischof wurde dem Schaffranek untersagt, bei Wiederwahl auf der
Linken zu „sitzen“; in Folge dessen stand dieser kräftig gebaute
Priester 5 und 6 Stunden und bei Doppelsitzungen 10 Stunden
am Tage vor den Bänken der Linken, stramm wie eine Schild-
wache, und brauchte nicht erst aufzustehn, wenn er zu antideutscher