132 Vierundzwanzigstes Kapitel: Culturkampf.
Rücktritt entscheidend wurden, ist mir erinnerlich, daß es die
Streitigkeiten mit dem Oberkirchenrath und den ihm nahe stehenden
Geistlichen waren, welche den Bruch mit Sr. Majestät herbeiführten,
nicht ohne daß aus der Zuspitzung der Entwicklung des vorhandenen
Streitmaterials gegen Falk sich die Mitwirkung geschickterer Hände
und feinerer Arbeit erkennen ließ, als den formellen Rathgebern
des Kaisers in seiner Eigenschaft als summus episcopus eigen war.
IV.
Nach seinem Abgange war ich vor die Frage gestellt, ob und
wie weit ich bei der Wahl eines neuen Cultuscollegen die mehr
juristische als politische Linie Falks im Auge behalten, oder meinen
mehr gegen Polonismus als gegen Katholicismus gerichteten
Auffassungen ausschließlich folgen sollte. In dem Culturkampfe
war die parlamentarische Regirungspolitik durch den Abfall der
Fortschrittspartei und ihren Uebergang zum Centrum gelähmt,
indem sie im Reichstage einer durch gemeinsame Feindschaft zu-
sammengehaltnen Majorität von Demokraten aller Schattirungen,
im Bunde mit Polen, Welfen, Franzosenfreunden und Ultramon-
tanen, ohne Unterstützung durch die Conservativen gegenüberstand.
Die Consolidirung unfrer neuen Reichseinheit wurde durch diese
Zustände gehemmt und, wenn sie dauerten oder sich verschärften,
gefährdet. Der nationale Schaden konnte auf diesem Wege größer
werden, als auf dem eines Verzichtes auf den meiner Ansicht nach
entbehrlichen Theil der Falkschen Gesetzgebung. Für nicht
entbehrlich hielt ich die Beseitigung der Verfassungsartikel,
die Kampfmittel gegen den Polonismus und vor allen die Herr-
schaft des Staates über die Schule. Wahrten wir die, so be-
hielten wir aus dem Culturkampfe beim Frieden immer einen
werthvollen Siegespreis im Vergleich mit den Zuständen vor Aus-
bruch des Kampfes. Ueber die Grenze, bis zu der wir der Curie