Desertion der Fortschrittspartei. Definitives Ergebniß. 135
(Stosch, Rickert u. s. w.), das heißt in liberal-katholischer Coalition,
ihren Ausdruck fanden.
Im Jahre 1886 gelang es, die von mir theils erstrebte, theils
als zulässig erkannte Gegenreformation zum Abschluß zu bringen,
den modus vivendi zu erreichen, der immer noch, verglichen mit
dem status quo vor 1871 ein für den Staat günstiges Ergebniß
des ganzen Culturkampfes aufweist.
Inwieweit derselbe von Dauer sein wird und die confessionellen
Kämpfe nun ruhn werden, kann nur die Zeit lehren. Es hängt
das von kirchlichen Stimmungen ab und von dem Grade der
Streitbarkeit nicht blos des jedesmaligen Papstes und seiner leiten—
den Rathgeber, sondern auch der deutschen Bischöfe und der mehr
oder weniger hochkirchlichen Richtung, welche im Wechsel der Zeit
in der katholischen Bevölkerung herrscht. Eine feste Grenze der
römischen Ansprüche an die paritätischen Staaten mit evangelischer
Dynastie läßt sich nicht herstellen. Nicht einmal in rein katholischen
Staaten. Der uralte Kampf zwischen Priestern und Königen wird
nicht heut zum Abschluß gelangen, namentlich nicht in Deutschland.
Wir haben vor 1870 Zustände gehabt, auf Grund deren die Lage
der katholischen Kirche grade in Preußen als mustergültig und
günstiger als in den meisten rein katholischen Ländern auch von
der Curie anerkannt wurde. In unfsrer innern Politik, nament-
lich der parlamentarischen, haben wir aber keine Wirkung dieser
confessionellen Befriedigung gespürt. Die Fraction der beiden
Reichensperger gehörte schon lange vor 1871, ohne daß deshalb die
Führer persönlich in den Ruf des Händelmachens verfielen, dauernd
der Opposition gegen die Regirung des evangelischen Königshauses
an. Bei jedem modus vivendi wird Rom eine evangelische Dynastie
und Kirche als eine Unregelmäßigkeit und Krankheit betrachten,
deren Heilung die Aufgabe seiner Kirche sei. Die Ueberzeugung,
daß dem so ist, nöthigt den Staat noch nicht, seinerseits den Kampf
zu suchen und die Defensive der römischen Kirche gegenüber auf-
zugeben, denn alle Friedensschlüsse in dieser Welt sind Provisorien,