146 Fünfundzwanzigstes Kapitel: Bruch mit den Conservativen.
Wo sollen Sie andre Collegen hernehmen, namentlich einen andern
Minister des Innern? Aus der Reihe der Nationalliberalen? Der
Gedanke ist mir unerträglich. Aus den Conservativen? Wen aber?
Die organisatorisch schöpferischen Geister unter ihnen sind unbe—
kannte Größen, und so sehr ich unsrem bureaukratischen Unwesen
abhold bin, das sehe ich ein, der Betreffende müßte es kennen, um
es reformiren zu können.“
Einige Tage später, am 25. Februar, schrieb Roon an seinen
altesten Sohn 1):
„. Ueber Politik und Conflict möchte ich am liebsten gar
nichts schreiben, nachdem ich auf Grund des am 9. mir gesandten
vertraulichen Berichtes am 19. an Graf Bismarck geschrieben, um
ihm mein Bedauern auszusprechen, daß die Dinge so verlaufen
sind u. s. w. Die stenographischen Berichte, welche mir verheißen
sind, können wahrscheinlich an meiner Auffassung der Dinge nichts
ändern: Bismarck kann unmöglich Alles selbst thun. Die noth-
wendig gewordene Organisation oder Reorganisation der conser-
vativen Partei ist rite Sache des Ministers des Innern, und weder
Bismarck, noch ich, noch Blanckenburg oder sonst Jemand hat dazu
den amtlichen Beruf. Ist der dazu allein Berufene dazu nicht ge-
neigt oder geeignet, so fehlt. ihm etwas Unentbehrliches für sein
Amt, und die daraus sich ergebende Folgerung mag man ziehen und
darnach verfahren. Was durch Bismarcks Verhalten gegen die
Conservativen, durch meine oder Blanckenburgs Abwesenheit an
heilsamer Einwirkung etwa unterblieben ist: daraus kann man auch
für Bismarck kaum einen wohlbegründeten Vorwurf ableiten. Wenn
man, wie ich, ganz sicher weiß, wie Ungeheures B. zu leisten hat
und auch leistet, so kann man ihn billigerweise nicht schelten, daß
er nicht auch noch mehr leistet und für seines Collegen Versäum-
niß oder Unfähigkeit eintritt. Der allein gegen ihn zu begründende
Vorwurf würde vielmehr nur darin bestehen, wenn man mit Grund
1) Denkwürdigkeiten III7 70 ff.