Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

Verbündete der Nationalliberalen im Ministerium. 187 
Ich war sicher, daß der Kronprinz, auch wenn alle meine 
Collegen andrer Ansicht gewesen wären, die meinige annehmen 
werde, abgesehn von der Zustimmung, die ich unter den 20 oder 
mehr zugezogenen Generalen und Beamten, wenigstens bei den 
erstern fand. Wenn ich überhaupt Minister bleiben wollte, was 
ja eine Opportunitätsfrage geschäftlicher sowohl wie persönlicher 
Natur war, die ich bei eigner Prüfung mir bejahte, so befand ich 
mich im Stande der Nothwehr und mußte suchen, eine Aenderung 
der Situation im Parlament und in dem Personalbestande meiner 
Collegen herbeizuführen. Minister bleiben wollte ich, weil ich, wenn 
der schwer verwundete Kaiser am Leben bliebe, was bei dem starken 
Blutverlust in seinem hohen Alter noch unsicher, fest entschlossen 
war, ihn nicht gegen seinen Willen zu verlassen, und es als Gewissens— 
pflicht ansah, wenn er stürbe, seinem Nachfolger die Dienste, die 
ich ihm vermöge des Vertrauens und der Erfahrung, die ich mir 
erworben hatte, leisten konnte, nicht gegen seinen Willen zu ver- 
sagen. Nicht ich habe Händel mit den Nationalliberalen gesucht, 
sondern sie haben im Complot mit meinen Collegen mich an die 
Wand zu drängen versucht. Die geschmacklose und widerliche Redens- 
art von dem „an die Wand drücken, bis sie quietschten“, hat niemals 
in meinem Denken, geschweige denn auf meiner Lippe Platz ge- 
funden — eine der lügenhaften Erfindungen, mit denen man poli- 
tischen Gegnern Schaden zu thun sucht. Obenein war diese Redens- 
art nicht einmal eignes Product derer, welche sie verbreiteten, son- 
dern ein ungeschicktes Plagiat. Graf Beust erzählt in seinen Me- 
moiren („Aus drei Viertel-Jahrhunderten“ Thl. 1 S. 5): 
„Die Slaven in Oesterreich haben mir das beiläufig nie von 
mir gesprochene Wort aufgebracht, „man müsse sie an die Wand 
drücken#. Der Ursprung dieses Wortes war folgender: Der frühere 
Minister, spätere Statthalter von Galizien, Graf Goluchowfski, pflegte 
sich mit mir in französischer Sprache zu unterhalten. Seinen Be- 
mühungen war es vorzugsweise zu danken, daß nach meiner Ueber- 
nahme des Ministerpräsidiums 1867 der galizische Landtag vor-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.