Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

190 Sechsundzwanzigstes Kapitel: Intrigen. 
mus lahm gelegt werden. Die Functionen des Reichsamts können 
nach meiner Auffassung nur durch den Bundesrath entweder direct 
oder durch Delegation an einen jährlich zu wählenden Ausschuß 
geübt werden. Der Bundesrath repräsentirt die Regirungsgewalt 
der Gesammt-Souveränetät von Deutschland, dabei etwa dem Staats- 
rathe unter andern Verhältnissen entsprechend. 
Bisher muß ich indessen annehmen, daß Baiern auf diesen 
für Würtemberg, Sachsen und für mich persönlich annehmbaren 
Ausweg nicht eingehn wird. Auch die Klausel in Nro. 3 Artikel 23, 
daß nur arbeitslose Individuen ausgewiesen werden dürfen, ist für 
den Zweck ungenügend. 
Ferner bedarf das Gesetz meines Erachtens eines Zusatzes in 
Betreff der Beamten dahingehend, daß Betheiligung an socialistischer 
Politik die Entlassung ohne Pension nach sich zieht. Die Mehr- 
zahl der schlecht bezahlten Subalternbeamten in Berlin, und dann 
der Bahnwärter, Weichensteller und ähnlicher Kategorien sind Socia- 
listen, eine Thatsache, deren Gefährlichkeit bei Aufständen und 
Truppentransporten einleuchtet. 
Ich halte ferner, wenn das Gesetz wirken soll, für die Dauer 
nicht möglich, den gesetzlich als Socialisten erweislichen Staats- 
bürgern das Wahlrecht und die Wählbarkeit und den Genuß der 
Privilegien der Reichstagsmitglieder zu lassen. 
Alle diese Verschärfungen werden, nachdem einmal die mildere 
Form in allen Zeitungen gleichzeitig bekannt gegeben, denselben 
also wohl amtlich mitgetheilt ist, im Reichstage sehr viel weniger 
Aussicht haben, als der Fall sein könnte, wenn eine mildere Version 
nicht amtlich bekannt geworden wäre. 
Die Vorlage, so wie sie jetzt ist, wird praktisch dem Socia- 
lismus nicht Schaden thun, zu seiner Unschädlichmachung keinesfalls 
ausreichen, namentlich da ganz zweifellos ist, daß der Reichstag 
von jeder Vorlage etwas abhandelt. Ich bedaure, daß meine Ge- 
sundheit mir absolut verbietet, mich jetzt sofort an den Verhand- 
lungen des Bundesrathes zu betheiligen, und muß mir vorbehalten,
	        
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