Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

Differenz mit Goltz über Behandlung der Herzogthümerfrage. 5 
heit stürzen können, ohne etwas von ihnen zu besorgen zu 
haben? 
Sie nennen es eine „wundervolle‘ Politik, daß wir das 
Gagernsche Programm ohne Reichsverfassung hätten verwirklichen 
können. Ich sehe nicht ein, wie wir hätten dazu gelangen sollen, 
wenn wir im Bunde mit den Würzburgern, auf deren Unter- 
stützung angewiesen, Europa hätten besiegen müssen. Entweder 
standen die Regirungen uns ehrlich bei, und der Kampfpreis 
war ein Großherzog mehr in Deutschland, der aus Sorge 
für seine neue Souveränetät am Bunde gegen Preußen stimmt, 
ein Würzburger mehr; oder wir mußten, und das war das Wahr- 
scheinlichere, unsern Verbündeten durch eine Reichsverfassung den 
Boden unter den Füßen wegziehn und dennoch dabei auf ihre 
Treue rechnen. Mißlang das, wie zu glauben, so waren wir 
blamirt; gelang es, so hatten wir die Union mit der Reichsver- 
fassung. 
Sie sprechen von dem Staatencomplex von 70 Millionen mit 
einer Million Soldaten, der in compacter Weise Europa trotzen 
soll, muthen also Oestreich ein Aushalten auf Tod und Leben 
bei einer Politik zu, die Preußen zur Hegemonie führen soll, und 
trauen doch dem Staate, der 35 dieser 70 Millionen hat, nicht über 
den Weg. Ich auch nicht; aber ich finde es für jetzt richtig, Oest- 
reich bei uns zu haben; ob der Augenblick der Trennung kommt 
und von wem, das werden wir sehn. Sie fragen: wann in aller 
Welt sollen wir denn Krieg führen, wozu die Armeereorganisation? 
und Ihre eignen Berichte schildern uns das Bedürfniß Frankreichs, 
im Frühjahr Krieg zu haben, die Aussicht auf eine Revolution in 
Galizien daneben. Rußland hat 200000 Mann über den polnischen 
Bedarf auf den Beinen und kein Geld zu Phantasie-Rüstungen, 
muß also muthmaßlich doch auf Krieg gefaßt sein; ich bin es auf 
Krieg und mit Revolution combinirt. Sie sagen dann, daß wir 
uns dem Kriege garnicht aussetzen; das vermag ich mit Ihren 
eignen Berichten aus den letzten drei Monaten nicht in Einklang
	        
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