Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

194 Sechsundzwanzigstes Kapitel: Intrigen. 
meines vorhergehenden Vortrages, aber doch der Gesammtheit der 
Eindrücke der letzten Tage, auf Grund der mündlichen Berichte von 
Puttkamer, der Zeitungsartikel und meines Vortrags war. Die Bilder 
des Wachens tauchen im Spiegel des Traumes nicht sofort, sondern 
erst dann wieder auf, wenn der Geist durch Schlaf und Ruhe still ge- 
worven ist. Eurer Majestan Mittheilung ermuthigt mich zur Erzählung 
eines Traumes, den ich Frühjahr 1863 in den schwersten Conflicts- 
tagen hatte, aus denen ein menschliches Auge keinen gangbaren Aus- 
weg sah. Mir träumte, und ich erzählte es sofort am Morgen 
meiner Frau und andern Zeugen, daß ich auf einem schmalen 
Alpenpfad ritt, rechts Abgrund, links Felsen; der Pfad wurde 
schmaler, so daß das Pferd sich weigerte, und Umkehr und Absitzen 
wegen Mangel an Platz unmöglich; da schlug ich mit meiner Gerte 
in der linken Hand gegen die glatte Felswand und rief Gott an; 
die Gerte wurde unendlich lang, die Felswand stürzte wie eine 
Coulisse und eröffnete einen breiten Weg mit dem Blick auf Hügel 
und Waldland wie in Böhmen, Preußische Truppen mit Fahnen 
und in mir noch im Traume der Gedanke, wie ich das schleunig 
Eurer Majestät melden könnte. Dieser Traum erfüllte sich, und ich 
erwachte froh und gestärkt aus ihm. 
Der böse Traum, aus dem Eure Majestät nervös und agitirt 
erwachten, kann doch nur so weit in Erfüllung gehn, daß wir noch 
manche stürmische und lärmende Parlamentssitzung haben werden, 
durch welche die Parlamente ihr Ansehn leider untergraben und die 
Staatsgeschäfte hemmen; aber Eurer Majestät Gegenwart dabei ist 
nicht möglich, und ich halte dergleichen Erscheinungen wie die letzten 
Reichstagssitzungen zwar für bedauerlich als Maßstab unfrer Sitten 
und unfrer politischen Bildung, vielleicht unfrer politischen Be- 
fähigung; aber für kein Unglück an sich: l’excès du mal en devient 
le remede. 
Verzeihn Eure Majestät mit gewohnter Huld diese durch Aller- 
höchstdero Schreiben angeregte Ferienbetrachtung; denn seit gestern 
bis zum 9. Januar haben wir Ferien und Ruhe.“
	        
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