210 Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die Ressorts.
dieser postalische Erlaß durch Militärberichte zu seiner Kenntniß
gekommen war. Die Farbe der empfohlenen Blätter allein hätte
genügt, um Stephan bei Wilhelm J. in Ungnade zu bringen; noch
verstimmender aber wirkte die Berufung auf ein Mitglied der könig-
lichen Familie und grade der Frau Kronprinzessin. Ich stellte den
Frieden mit Sr. Majestät her. Das Bedürfniß hoher Anerkennung
ist eins der Passiva, die auf den meisten ungewöhnlichen Begabungen
lasten. Ich nahm an, daß die Schwächen, welche Stephan aus
seinen Anfängen in seine höhern Stellungen hinübergebracht hatte,
je älter und je vornehmer er werde, desto mehr von ihm abfallen
würden. Ich kann nur wünschen, daß er in seinem Amte alt werde
und gesund bleibe, und würde seinen Verlust für schwer ersetzlich
halten 1), vermuthe aber, daß auch er bei meinem Abgange zu denen
gehörte, welche eine Erleichterung zu empfinden glaubten. Ich bin
stets der Meinung gewesen, daß der Transport= und Correspondenz-
Verkehr zu dem Staatszwecke beizusteuern habe und diese Beisteuer in
der Porto= und Frachtvergütung einzubegreifen sei. Stephan ist mehr
Ressortpatriot und als solcher allerdings nicht nur seinem Ressort
und dessen Beamten, sondern auch dem Reiche in einem Maße nützlich
gewesen, das für jeden Nachfolger schwer erreichbar sein wird. Ich
bin seinen Eigenmächtigkeiten stets mit dem Wohlwollen entgegen
getreten, das die Achtung vor seiner eminenten Begabung mir ein-
flößte, auch wenn sie in meine Competenz als Kanzler und stimm-
führender Vertreter Preußens einschnitten, oder er durch seine Vor-
liebe für Prachtbauten die finanziellen Ergebnisse schädigte.
1) Stephan starb 8. April 1897.