Gortschakow und Schuwalow. Verstimmung des Zaren. 217
wendigkeit, Irrthümer ihrer Untergebenen durch Unaufrichtigkeit
wieder gut zu machen. Lord Palmerston hat freilich am 4. April
1856 im Unterhause mit einer von der Masse der Mitglieder wahr-
scheinlich nicht verstandenen Ironie gesagt, die Auswahl der dem
Parlamente vorzulegenden Schriftstücke über Kars habe große Sorg-
falt und Aufmerksamkeit von Personen, die nicht eine untergeord-
nete, sondern eine hohe Stellung im Auswärtigen einnähmen, er-
fordert. Das Blaubuch über Kars, die castrirten Depeschen von
Sir Alexander Burnes aus Asghanistan und die Mittheilungen der
Minister über die Entstehung der Note, welche die Wiener Con-
ferenz 1854 dem Sultan anstatt der Mentschikowschen zur Unter-
zeichnung empfahl, sind Proben von der Leichtigkeit, mit welcher
Parlament und Presse in England getäuscht werden können. Daß
die Archive des Auswärtigen Amtes in London ängstlicher als irgend-
wo gehütet werden, läßt vermuthen, daß in ihnen noch manche
ähnliche Probe zu entdecken sein würde. Im Ganzen wird man
aber doch sagen dürfen, daß der Zar leichter zu belügen ist als das
Parlament.
Bei den diplomatischen Verhandlungen über Ausführung der
Bestimmungen des Berliner Congresses wurde in Petersburg er-
wartet, daß wir jede russische Auffassung der östreichisch-englischen
gegenüber ohne weitres und namentlich ohne vorgängige Ver-
ständigung zwischen Berlin und Petersburg unterstützen und durch-
setzen würden. Meine angedeutete, endlich ausgesprochene Forderung,
die russischen Wünsche uns vertraulich, aber deutlich auszusprechen
und darüber zu verhandeln, wurde eludirt, und ich erhielt den
Eindruck, daß Fürst Gortschakow von mir, wie eine Dame von
ihrem Verehrer, erwartete, daß ich die russischen Wünsche errathen
und vertreten würde, ohne daß Rußland selbst sie auszusprechen
und dadurch eine Verantwortlichkeit zu übernehmen brauchte. Selbst
in Fällen, wo wir annehmen durften, der russischen Interessen und
Absichten völlig gewiß zu sein, und glaubten, der russischen Politik
einen Beweis unfrer Freundschaft freiwillig geben zu können, ohne