Unsicherheit der Zukunft Oestreichs. 255
der Monarchie in Frankreich würde die durch die italienische
Rivalität nicht mehr abgeschwächte gegenseitige Anziehung der beiden
katholischen Großmächte unternehmende Politiker in Versuchung
führen können, mit der Wiederbelebung derselben zu experimentiren.
In der Beurtheilung Oestreichs ist es auch heut noch ein Irr-
thum, die Möglichkeit einer feindseligen Politik auszuschließen, wie
sie von Thugut, Schwarzenberg, Buol, Bach und Beust getrieben
worden ist. Kann sich nicht die Politik für Pflicht gehaltner Un-
dankbarkeit, deren Schwarzenberg sich Rußland gegenüber rühmte, in
andrer Richtung wiederholen, die Politik, die uns von 1792 bis
1795, während wir mit Oestreich im Felde standen, Verlegenheit be-
reitete und im Stiche ließ, um uns gegenüber in den polnischen
Händeln stark genug zu bleiben, die bis dicht an den Erfolg bestrebt
war, uns einen russischen Krieg auf den Hals zu ziehn, während
wir als nominelle Verbündete für das Deutsche Reich gegen Frank-
reich fochten, die sich auf dem Wiener Congreß bis nahe zum
Kriege zwischen Rußland und Preußen geltend machte? Die An-
wandlungen, ähnliche Wege einzuschlagen, werden für jetzt durch
die persönliche Ehrlichkeit und Treue des Kaisers Franz Joseph
niedergehalten, und dieser Monarch ist nicht mehr so jung und
ohne Erfahrung, wie zu der Zeit, da er sich von der persönlichen
Rancüne des Grafen Buol gegen den Kaiser Nicolaus zum poli-
tischen Druck auf Rußland bestimmen ließ, wenig Jahre nach
Vilagos; aber seine Garantie ist eine rein persönliche, fällt mit dem
Personenwechsel hinweg, und die Elemente, die die Träger einer
rivalisirenden Politik zu verschiedenen Epochen gewesen sind, können
zu neuem Einflusse gelangen. Die Liebe der galizischen Polen, des
ultramontanen Clerus für das Deutsche Reich ist vorübergehender
und opportunistischer Natur, ebenso das Uebergewicht der Einsicht
in die Nützlichkeit der deutschen Anlehnung über das Gefühl der
Geringschätzung, mit dem der vollblütige Magyar auf den Schwaben
herabsieht. In Ungarn, in Polen sind französische Sympathien
auch heut lebendig, und im Clerus der habsburgischen Gesammt-